75 Jahre VVN – die bayerische Landesvereinigung lädt ihre Mitglieder nach Regensburg ein – wir sind Gäste der Jüdischen Gemeinde

30. November 2022

Unsere Versammlung fand am 17. Juli 2022 in Regensburg statt. Wir waren Gäste der überaus gastfreundlichen Jüdischen Gemeinde hier. Als wir gegen 10 Uhr ankommen, ist die Glasfront zum Innenhof bereits geöffnet, davor das Buffet mit Kaffee und Tee, den schönsten Kuchen und Törtchen und als besondere Glanzlichter Schalen mit Obst gefüllt wie für ein Stillleben. 

Ilse Danziger, die Vorsitzende begrüßt uns. Sie betont unser Zusammenwirken für das Gedenken seit den frühen 70er Jahren. Damals beschlossen wir, den 23. April zum antifaschistischen Gedenktag zu machen. Damit sind wir beim Thema des Tages angelangt: „Erinnerungs- und Gedenkarbeit“ im Wandel.

Am 23. April nämlich erinnern wir an die Frauendemonstration, die 1945 die kampflose Übergabe der Stadt forderte, und ehren die letzten Regensburger NS-Opfer. Weitere Forschung förderte weitere Verbrechen zu Tage, und aus der Kundgebung auf dem Dachauplatz wurde 1998 der Gedenkweg für alle Opfer des Faschismus. Jedes Mahnmal, an dem wir Blumen niederlegen, jeder Stolperstein hat eine eigene nicht selten konfliktreiche Geschichte.

Wir sind auf dem Weg nicht allein, und auch heute zu unserem Jubiläum werden uns Mitglieder der Stolpersteingruppe, der Roten Hilfe, der Falken begleiten, und der  Internationale  Kultur- und Solidaritätsverein wird am Dachauplatz sein Transparent entfalten: „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“.

Aber zuerst gehen wir noch hinauf in die neue Synagoge im ersten Stock, eingeweiht im Februar 2019 genau 500 Jahre, nachdem das Jüdische Viertel in der heutigen Stadtmitte geschleift, die Synagoge und der jüdische Friedhof zerstört und alle Regensburger Juden mit ihren Familien im Februar 1519 vom Rat der Stadt vertrieben wurden. Die heutige Synagoge steht aber nicht an dem Ort der mittelalterlichen Synagoge, denn dort wurde nach der Vertreibung der Juden 1519 sofort eine Marienwallfahrt installiert, und wenige Jahre später die protestantische Neupfarrkirche platziert.

Erst 1912 konnte eine neue Jüdische Gemeinde wieder eine Synagoge errichten. Die Nazis zerstörten sie in der Pogromnacht. Der Synagogenbrandplatz wurde drei ein halb Jahre später zum Sammelplatz der ersten Deportation am 4. April 1942. Das ist der Ort, an dem wir uns jetzt befinden, und ich kann unseren Kameradinnen und Kameraden an Ort und Stelle sagen und zeigen, was hier passiert ist.

Ursprünglich war für den Vormittag ein Gespräch mit unserem Kameraden Ernst Grube vorgesehen, Holocaust-Überlebender, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Beirat im NS-Dokumentationszentrum München. Aus Covid-19-Gründen kann das Zeitzeugen-Gespräch leider nicht stattfinden.

Der Nachmittag ist für ein Podiumsgespräch reserviert. Wir diskutieren mit Cornelia Siebeck, die Historikerin forscht und publiziert seit vielen Jahren zu gedächtnispolitischen und gedächtniskulturellen Fragen; mit Maxi Schneider, ebenfalls Historikerin und Referentin für Geschichts- und Erinnerungspolitik der VVN-BdA-Bundesvereinigung; mit Thomas Willms, Politikwissenschaftler und Autor des Buches „Auschwitz als Steinbruch – Was von den NS-Verbrechen bleibt“, Bundesgeschäftsführer der VVN-BdA. Den weiten Weg von Berlin und Hamburg hatten sie auf sich genommen und boten uns die Gelegenheit, einen Blick über unsere bayerischen Grenzen hinaus zu riskieren. Dafür bedanken wir uns herzlich.

Zur Geschichte des christlichen Widerstands der Regensburger Zeugen Jehovas haben Sandra Breedlove und Hans Simon-Pelanda geforscht und in den Verhandlungen des Historischen Vereins 2018 veröffentlicht. Die Stele zur Würdigung der Häftlinge mit dem Lila Winkel ist seit ihrer Enthüllung 2022 auf dem Georgenplatz Teil des Gedenkwegs.

„Widerstand gegen das NS-Regime aus religiöser Überzeugung. Jehovas Zeugen in Regensburg 1933-1945“ von S. Breedlove/H. Simon-Pelanda, Band 158 der Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, 12/2018, B. Luebbers (Hg.):

https://www.heimatforschung-regensburg.de/2859/12/12%20Breedlove%20213-330.pdf