Landkreis Miesbach

geschrieben von Reinhard Tschech

Terror unterm Hakenkreuz – Orte des Erinnerns in Stadt und Region Miesbach

Reinhard Tschech

Gedenken zum Todesmarsch an der Landstraße vor Waakirchen.

Geschichte

Neben einer Reihe von Straßenbenennungen und dem Mahnmal zum sogenannten Todesmarsch in Waakirchen erinnern die beiden Kriegsgräberstätten in Dürnbach und Gmund sowie die Gedenktafel für Zwangsarbeiter auf dem Friedhof Holzkirchen heute noch an das nationalsozialistische Terrorregime in Stadt und Landkreis Miesbach.

Männer und Frauen, zivile und kriegsgefangene Zwangsarbeiter arbeiteten in den Bergwerken, in Industrie und Handwerksbetrieben sowie auf den vielen landwirtschaftlichen Höfe, sowie in der Forstwirtschaft.
In Hausham betrieb das Bergwerk zwei große Barackenlager mit zusammen über 400 ZwangsarbeiterInnen aus Frankreich, Polen der UdSSR und Tschechien. Bei Knagge und Peitz mussten überwiegend Frauen aus der Ukraine und Russland Heeresaufträge abarbeiten. Sie waren in Schlafsälen „Hubertus“ und „Pommerweg“ zu je etwa 50 Personen untergebracht
Kriegsgefangene Serben etwa 35 – 40 Personen, waren im Gasthaus Staudenhäusl (Agatharied) untergebracht.

Die Dornierwerke verlegten im Herbst 1944 ihre Flugzeugproduktion in die Oberlandhalle Miesbach, mit ca. 150 Beschäftigten (der Anteil der ZwangsarbeiterInnen ist nicht bekannt).
In Marienstein betrieben die Münchener Firmen Salewa und Bungarz Produktionsstätten, in denen Zwangsarbeit geleistet werden musste. Das Bergwerk Marienstein betrieb ein sogenanntes „Russenlager“.
In Holzkirchen waren bei Kones und Boller, Isartalhaus in einer eigenen Baracke Franzosen des Kriegsgefangenenkommando 2209 untergebracht.
In Otterfing, das zur NS-Zeit noch zum Landkreis Wolfratshausen gehörte, mussten Italiener, Russen und Polen beim Sägewerk Salminger Zwangsarbeit verrichten.
In Mitterdarching wurde im September 1941 ein Arbeitskommando mit 60 Franzosen durch eines mit 150 Russen abgelöst. Hier mussten Bahnarbeiten verrichtet werden.
Im Landkreis gab es über 30 dieser Kriegsgefangenen-Kommandos, die über das Arbeitsamt Holzkirchen und das Lager Moosburg organisier wurden.

KZ Aussenkomandos

Außenkommandos des Konzentrationslagers Dachau waren im südlichen Teil des Landkreises installiert. In diesen Lagern befanden sich hauptsächlich Häftlinge, die der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas (in NS-Sprache Bibelforscher) angehörten und zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden.

Fischbachau: 20 bis 25 KZ-Häftlinge wurden für den Bau von zwei Doppelhäusern für SS-Führer aus München eingesetzt. Das Aussenkommando existierte von 12. September bis 21 Januar 1945.

Auchach/Wölflhof: Von Februar bis April 1945 musste ein Häftling für Frau Dr. Schweninger in der Landwirtschaft arbeiten.

Gmund am Tegernsee: In Heinrich Himmlers Haus „Lindenfycht“ wurden 15 bis 20 Häftlinge für Bauarbeiten eingesetzt. Später folgte der Bau eines Luftschutzstollens für Walter Warlimont. Das Kommando bestand ab dem 23. Mai 1944.

Hausham Vordereckart: 10 bis 12 KZ-Häftlinge mussten das Rohrauerhaus umbauen und renovieren zu einem SS-Kameradschaftsheim. Das Kommando bestand vom 9. Juli 1942 bis 25. April 1945 mit zeitlichen Unterbrechungen

Hausham Hintereckart:  Versuchsgut. 10 weibliche KZ-Häftlinge (Zeugen Jehovas) mussten landwirtschaftliche Arbeiten verrichten. Das Kommando bestand ab 1942 zuerst noch unter Verwaltung des KZ Ravensbrück und später dann auch unter KZ-Dachau. Aufgelöst wurde am 8. Mai 1945


Spitzingsee: Aus einem bewaldeten Hügel mit Blick auf den See mussten sechs Inhaftierte eine SS-Skihütte als Anbau an eine Blockhütte errichten. Zeitpunkt von Oktober 1941 bis Januar 1942.


Sudelfeld, Kommando SS-Berghaus: Ab 22. Juni 1940 mussten bis zu 150 KZ-Häftlinge beim Bau und in der Landwirtschaft Zwangsarbeit leisten.


Sudelfeld, Kommando Luftwaffe: Ab 22. Juni 1940 waren 25 inhaftierte Ingenieure, Physiker und Techniker in der Hochfrequenzforschung eingesetzt.


Valepp / Schliersee / Bauer Marx:  Ein Häftling musste ab 30. Oktober 1944 bei Bauer Marx auf der Ochsenalm bei Valepp oder in Faistenau / Fischbachau in der Landwirtschaft arbeiten.


Valepp am Schliersee / Jagdhaus Himmler:  Unter Bauleitung von Waffen-SS und Polizei mussten vom 1. November 1942 bis 30 Oktober 1944 zwanzig KZ-Häftlinge Bauarbeiten ableisten.

Zur Erinnerung an die während der NS-Zeit auf dem Berghaus Sudelfeld zur Zwangsarbeit verpflichteten KZ-Häftlinge legt der DGB Kreisverband Miesbach an der dort angebrachten Gedenktafel ein Blumengebinde nieder und hält Gedenkveranstaltungen ab.


In den Jahren 1955-1956 wurden einige in der Region Miesbach gestorbene KZ-Häftlinge aus ihren Gräbern exhumiert und auf den KZ-Ehrenfriedhof Dachau-Leitenberg überführt. Von den vielen Gräbern der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sowie der zahlreichen Kindergräber fehlt heute jede Spur.

Gedenktafel am ehemaligen SS Erholungsheim am Sudelfeld – heute eine Jugendherberge.
Die Zusammenstellung stützt sich auf Quellen aus dem Archiv ITS Arolsen, sowie dem Staatsarchiv München und dem Stadtarchiv Miesbach.



Zeittafel

  • Juli 1920: Die ersten Hakenkreuz-Schmierereien in Tegernsee sowie in diversen Nachbarorten
  • 09. Januar 1921: Tegernsee im Bahnhotel Niggl: Hermann Esser hält ein Referat zum Thema „Politik und Judentum“. Das war Initialzündung zur Gründung einer Ortsgruppe der NSAP
  • September 1923: Einweihung Annaberg-Denkmal in Schliersee
  • 01. Oktober 1922: Egern. Adolf Hitler hält am Tegernsee eine aufpeitschende Rede.
  • 11. März 1933: Die „SA marschiert in Holzkirchen ein.“ (Tegernseer Zeitung)
  • März 1933: Stadtrat Miesbach ohne Wahl neu gegliedert. Die zwei KPD-Stadträte werden ausgeschlossen. Die SPD-Stadträte Johann Huber, Michael Schauer und Georg Räder kommen ins KZ Dachau
  • 14. März 1933: „Einige kommunistische Funktionäre werden im Tegernseer Tal in Schutzhaft genommen“ (Tegernseer Zeitung)
  • 22. März 1933: Eröffnung KZ Dachau
  • 31. März 1933: In vielen Gemeinden werden Paul von Hindenburg, Adolf Hitler und Franz Xaver Ritter von Epp zu Ehrenbürgern ernannt.
  • 11. April 1933: Über das Bezirksamt Miesbach werden 28 „Schutzhäftlinge“ ins KZ Dachau „verschubt“.  (ITS Arolsen Onlinearchiv)
  • 6. Mai 1933: Weiterer Häftlingstransport nach Dachau mit 25 Menschen aus dem Landkreis Miesbach. Nummer 26 kommt in die Krankenabteilung nach Stadelheim. (ITS Arolsen Onlinearchiv)
  • 10. Januar 1935: Die Kommunisten Josef Resch und Josef Dierolf aus Hausham werden je zu Zuchthausstrafe von zwei Jahren wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ verurteilt.
  • 28. Februar 1935: Jeder Berufstätige hat ein Arbeitsbuch zu führen.
  • März 1938: Sechs Arbeiter des Berg- und Zementwerkes Marienstein werden wegen illegaler kommunistischer Betätigung festgenommen.
  • 1. September 1939: Mit dem „Euthanasie-Erlass“ werden „Erbkranke“ als „lebensunwertes Leben“ systematisch getötet.
  • 07. Oktober 1939: Die ersten polnischen Kriegsgefangenen kommen in Thalham an.
  • Winter 1939: In Finsterwald kommen Eisschützen nach Denunziation wegen „Führerbeleidigung“ als Volksschädlinge nach Stadelheim und monatelang ins KZ Dachau in „Schutzhaft“.
  • 1941: Die psychisch kranke Bergarbeiterfrau Anna R. (1937 als „erbkrank“ eingestuft und nach dem „Erbgesundheitsgesetz vom 14. Juli 1933“ in Gabersee zwangssterilisiert) wird vom Bezirkskrankenhaus Haar nach Hartheim bei Linz gebracht und dort ermordet.
  • 1941: ‚Kreuz-Zug‛ von etwa 100 Frauen in Miesbach. Sie besetzen das Büro des Bürgermeisters und erreichen, dass Kreuze (die vorher abgenommen wurden) wieder aufgehängt werden. Während es im Anschluss in anderen Gemeinden zu Repressalien gegenüber den Frauen kommt, scheint dies in Miesbach nicht der Fall gewesen zu sein.
  • 2. März 1942: Die Hutfabrik Kohlndorfer aus Miesbach erhält einen „SS-Auftrag“.
  • 20. Januar 1943: Der Mariensteiner Bergmann Karl Pfisterer wird vom Sondergericht München zu 5 Jahren Haft wegen Vergehen gegen das Heimtückegesetz verurteilt.
  • 31. März 1941: Zum Abbruch des ehemaligen SA-Barackenlagers am Fuße des Wallbergs „werden 25 Juden zur Verfügung gestellt.“ (Staatsarchiv München, LRA-Akten)
  • 13. Juli 1944: Hilfszug von Bergleuten nach München wegen Bombardierung.
  • Herbst 1944: Die Dornierwerke verlegen ihre Flugzeugproduktion in die Oberlandhalle Miesbach, wo zeitweilig ca. 150 Leute beschäftigt sind.
  • 1. Mai 1945: Sprengung der Mangfallbrücke bei Weyarn vermutlich durch Waffen-SS
  • 2. Mai 1945: Amerikaner in Miesbach
  • 2. Mai 1945: Befreiung Todesmarsch in Waakirchen
  • 3. Mai 1945: Amerikaner vormittags in Gmund
  • 4. Mai 1945: Der KZ-Häftling Josef Drda wird in Oberwarngau beerdigt.
  • 15. Mai 1945: Das vom NSV Miesbach betriebene „Ostarbeiterinnen Kinderheim“ am Krankenhaus Holzkirchen wird aufgelöst.
  • 7. Juli 1945: Im Arbeitsamtsbezirk Holzkirchen sind noch etwa 1450 „Ausländer, verschiedener Nation, die auf Abtransport warten“. (Staatsarchiv München LRA Akten)
  • 7. Dezember 1955: Vier in der Gemarkung Hartpenning beerdigte KZ-Häftlinge werden exhumiert und auf den Ehrenfriedhof Dachau überführt.
  • 21. Mai 1956: Einweihung neues Denkmal am Weinberg Schliersee
  • 22. November 1956: 16 KZ-Tote aus der Grabstätte Waakirchen exhumiert und in die KZ Grabstätte Dachau Waldfriedhof überführt.
  • 1962: Einweihung Mahnmal Miesbach