General Jodls Grabdenkmal auf der Fraueninsel
6. September 2017
Narvik, Nordkap und Nordlicht sind bekannte touristische Reiseziele. Wohl niemand von den Reisenden weiß heute etwas anzufangen mit dem mythischen Begriff Nordlicht. Durch die „Operation Nordlicht“ wurde Nordnorwegen im Spätjahr 1944 komplett durch Wehrmacht und SS verwüstet.
Es war eine militärisch begründete Zerstörungsaktion, die als humanitäre und wirtschaftliche Katastrophe des Landes endete, – durchgeführt von deutschen Soldaten der Gebirgsarmeen. Einer der Hauptverantwortlichen war Generaloberst Jodl, der noch heute mitten in Bayern ein „Ehrengrab“ auf der Fraueninsel im Chiemsee hat.
Bei dem Rückzug der 20. Deutschen (Gebirgs-)Armee aus Nordnorwegen wurden unter Hinweis auf einen Befehl Hitlers in einem Gebiet von der anderthalbfachen Größe Dänemarks 50 000 Menschen evakuiert, dazu 11000 Wohnhäuser zerstört, 4700 Ställe und Nebengebäude, 230 Gebäude für Industrie und Handwerk, 420 Geschäfte, 306 Fischereibetriebe, 53 Hotels und Gastwirtschaften, 106 Schulen, 60 Gebäude der öffentlichen Verwaltung, 21 Krankenhäuser und Krankenstationen, 140 Versammlungsgebäude, 27 Kirchen; hinzu kamen die Zerstörungen von Straßen, Brücken, Kaianlagen, Booten, Telefonmasten, Brunnen und Leuchttürmen. Darüber hinaus wurden in den meisten Orten die Haustiere geschlachtet und Minen verlegt. Hitler und Jodl führten in Norwegen aus, was sie in Leningrad und Moskau vorgehabt hatten. 40.000 Quadratkilometer waren zu 100 Prozent zerstört, 20.000 Quadratkilometer zu 75 Prozent.
(Angaben der Fylkeskonservatoren in Finnmark, Troms und Nordland: Wiederaufbauausstellung 1985, in: Knuc Einar Eriksen und Terje Halvorsen, Norge i krig, Bd 8, Frigjorg, Oslo 1987, und AM 4, 2004 Armin Lang)
Laut der Anweisung Hitlers und Jodls sei »die gesamte norwegische Bevölkerung ostwärts des Lyngenfjords im Interesse ihrer eigenen Sicherheit zwangsweise zu evakuieren und alle Wohnstätten niederzubrennen bzw. zu zerstören. Oberbefehlshaber Nordfinnland ist dafür verantwortlich, dass der Führerbefehl rücksichtslos durchgeführt wird. […] Mitleid mit der Zivilbevölkerung ist nicht am Platze.« (Militärgeschichte, Zeitschrift für historische Bildung, Ausgabe 4/2004)
Der Evakuierungsbefehl führte zu der größten Wanderbewegung und den umfassendsten Zerstörungen auf norwegischem Boden überhaupt. Militärische Abteilungen zogen von Ort zu Ort, von Gehöft zu Gehöft und trieben die Menschen aus ihren Häusern, die Kranken aus den Hospitälern, das Vieh aus den Ställen. Die Gebäude wurden in der Regel nach kurzer Frist in Brand gesetzt, das Vieh zum Teil an Ort und Stelle geschlachtet, zum Teil auch mitverbrannt, zum Teil auf die Reise mitgenommen.
Auf den kleinen Fischkuttern herrschten wegen Überfüllung zum Teil unbeschreibliche Zustände Auf der »Karl Arp«, einem Schiff von rund 6000 Bruttoregistertonnen, waren 1850 Menschen mehrere Tage von Finnmark bis Narvik unterwegs, zusammengepfercht im Laderaum.
Zu den qualvollen räumlichen Bedingungen und der ungenügenden Versorgung kamen die katastrophalen sanitären Verhältnisse, die epidemische Erkrankungen nach sich zogen. Die Helfer, welche die Evakuierten in Narvik aus dem Laderaum bargen, konnten nur mit Gasmasken arbeiten. Rund 300 Personen mussten sofort in Krankenhäuser gebracht werden. 25 sollen laut Sterberegister von Narvik nach diesem Transport gestorben sein. Verantwortlich dafür war Generaloberst Jodl, einer der 24 in Nürnberg verurteilten Hauptkriegsverbrecher.
Alfred Josef Ferdinand Jodl, geboren als Alfred Baumgärtler am 10. Mai 1890, war im Laufe der 30er Jahre vom ‚Führer‘ fasziniert und entwickelte sich zu einem Bewunderer Hitlers. Später, während des Krieges, saß er als Chef des Wehrmachtführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) oft mit Hitler zusammen und bildete den Infanteriegefreiten aus dem Ersten Weltkrieg allmählich in Strategie und Taktik der Kriegskunst aus. Umgekehrt wurde er von Hitler mit nationalsozialistischen Gedanken indoktriniert. Jodl erlebte Hitler, laut seiner Aussage in Nürnberg 1946, als eine Führerpersönlichkeit von ungewöhnlichem Ausmaß; sein Wissen und sein Intellekt, seine Rhetorik und sein Wille würden letzten Endes gegenüber jedem triumphierten. (IMG, Band 15, S. 333)
Zusammen mit den übrigen hohen Offizieren der Wehrmacht hatte Jodl am 22. August 1939 schweigend zur Kenntnis genommen, wie Hitler die Polen zu behandeln gedachte. (IMG Bd 2 492-495, Bd 15, 410)
Über den Kommissarbefehl vom 6. Juni 1941 (die sofortige Erschießung der politischen Kommissare der Roten Armee ) und über die Politik gegenüber den Juden im besetzten Osten war Jodl am 16. Juli 1941 ausführlich von Generalstabsleiter Keitel informiert worden. Jodl beschäftigte sich danach damit, entsprechende mörderische Befehle auszuarbeiten.
(IMG Bd 20 und Bd 28)
Er war Hitler sehr nah und dadurch hoffnungslos in die Verbrechen verstrickt. Er wußte über Hitlers Mordbefehle Bescheid und ist deshalb (mit-)verantwortlich, dass den deutschen Soldaten vom OKW (Oberkommando der Wehrmacht) völkerrechtswidrige Befehle erteilt wurden.
1943 hielt er am 7. November in Gedenken an den Hitler-Putsch 1923 vor den Gauleitern der NSDAP eine Rede mit Jubelarien auf seinen Führer und lobte die deutsche Strategie im Osten. (IMG Band 37)
Alfred Jodl war auch an den Deportationen der europäischen Juden in die Vernichtungslager beteiligt. Im Herbst 1943 vermerkte er auf einem Schreiben des deutschen Wehrmachtsbefehlshabers in Dänemark, Hermann von Hanneken, der den militärischen Ausnahmezustand in Dänemark nicht als Vorwand für Judendeportationen missbraucht sehen wollte: „Geschwätz. Es geht um staatliche Notwendigkeiten.“
(Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden,Fischer Verlag, 1982, Seite 296)
Es bleibt unverständlich, wie er nach dem Kriege in Nürnberg behaupten konnte, er habe nie was mit schmutzigen Aspekten zu tun gehabt und nur seine soldatische Pflicht getan. Die Anklageschrift beschuldigte ihn der Verschwörung und des Verbrechens gegen den Frieden und die Humanität, sowie der Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung. Er verteidigte sich mit Hilfe seiner Verteidiger (zwei Juraprofessoren) mit der Behauptung, es sei nicht Aufgabe eines Soldaten, über seinen Oberbefehlshaber zu richten; er habe als Soldat nur seine Pflicht getan und sich von der Politik gänzlich ferngehalten.
In militärischen Fragen konnte er sich wirksam verteidigen, bei anderen Handlungen nicht. Die Enthüllung abgründiger Verbrechen mittels Dokumentarfilmen über KZ-Zustände traf ihn angeblich wie ein Keulenschlag und erschütterte ihn sehr. Doch so grauenhaft die gezeigten Verbrechen auch seien, er hatte sie seiner Meinung nach nicht zu verantworten. Dass er der kompletten geplanten Auslöschung von Moskau und Leningrad zugestimmt hatte und ganz Nordnorwegen mit der Taktik der „verbrannten Erde“ überzogen hatte, konnte er nicht widerlegen.
Am 1. Oktober 1946 wurde er in allen vier Anklagepunkten wegen Teilnahme an verbrecherischen Handlungen für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Jodl konnte dies nicht fassen. Er wurde als einer der 24 Hauptkriegsverbrecher am 16. Oktober 1946 gehängt, sein Körper verbrannt und die Asche verstreut.
Deutsche Richter – dieselben, die von 1933 bis 1945 im Sinne Hitlers und seiner Befehle und im Sinne der faschistischen, nationalsozialistischen Gesetze Recht gesprochen hatten – rehabilitierten Jodl 1953 nachträglich als unbescholtenen „Mitläufer“.
Die Staatsanwaltschaft erhob keinen Einspruch, und somit erging ein rechtskräftiges deutsches Urteil, das das Urteil des Internationalen Militärgerichtshofes von Nürnberg aufhob. Die alten Seilschaften einschließlich der Justiz trauten sich diese Schritte schon wieder zu.
Auf Druck der Alliierten wurde das „Mitläufer“-Urteil Jodls durch den bayerischen Minister für Befreiung wieder aufgehoben, Jodls Vermögen aber für die Erben freigegeben. Seine Frau bekam Pension und durfte ihren Besitz am Chiemsee behalten.
Die Nachkommen setzten den Namen des Generalobersten zentral in die Mitte eines Gedenkkreuzes, das sich auf der Fraueninsel im Chiemsee befindet, rechts und links daneben in kleinerer Schrift auf kleineren Steinen die Namen der hier wirklich beerdigten 1. und 2. Frau.
Kirche und Bayerische Behörden haben dies akzeptiert. Diese Gestaltung des Grabes ist eindeutig ein Denkmal für den Generalobersten, sein Name steht zentral und größer zwischen den beiden Grabsteinen der Frauen, obwohl er hier gar nicht beerdigt ist.
Es ist ein Gedenkstein für einen Kriegsverbrecher. Jodl war einer der wichtigsten und mächtigsten Männer der nationalsozialistischen Herrschaft (Chef des Führungsstabes des OKW) – der am Tod von Millionen deutscher Soldaten und von Millionen Menschen anderer Nationen und ungeheuerlichen Verbrechen wie dem Verhungernlassen von Millionen von kriegsgefangenen Russen schuldig ist. Es bleibt die unglaubliche Schande über die mit deutschem Namen verbundenen Verbrechen. Man darf traurig sein über die Verbrecher, die auch zu unserem Land gehören, aber sie zu ehren oder hervorheben, ist schändlich.
Generaloberst Jodl war einer von vielen damaligen Führungskräften, die durch falsche Entscheidungen das Volk in eine Katastrophe führten. Mit Millionen Toten und der Zerstörung Deutschlands und großer Teile Europas und der folgenden Vertreibung von Millionen Menschen, mit der auch viele deutschsprachige Siedlungsgebiete untergegangen sind.
Die Verbrechen zu vergessen und einem Kriegsverbrecher ein Ehrengrab zu geben, dies wurde im Chiemgau jahrzehntelang gepflegt. Wie wird wohl in Zukunft die deutsche Kulturpflege aussehen?