Recherche und Engagement gegen die rechte Gefahr als Lebenswerk – „AIDA“-Gründer Marcus Buschmüller verstorben
6. Juni 2022
„Frag‘ doch einfach bei AIDA nach!“ Das ist meist die Antwort, wenn jemand etwas wissen will über eine neu aufgetretene rechte Gruppierung in München oder Bayern und darüber hinaus. Dieses „Antifaschistische Informations- und Dokumentationsarchiv“ ist in der Tat zu einer der wesentlichen Recherchestellen geworden, wenn es um Organisationen und Namen der extrem rechten Szene und deren Netzwerke im Hintergrund geht.
Ihr Gründer, Vorsitzender, organisatorischer und geistiger Hintergrund, Marcus Buschmüller, ist nun am 19. Mai 2022 im Alter von nur 58 Jahren nach schwerer Krankheit in München verstorben.
Anstoß für sein jahrzehntelanges Engagement war das Neonazi-Attentat auf das Münchner Oktoberfest, das er 1980 als 17jähriger fast hautnah miterlebte. Er machte mit in der Antifa-Szene, war bei großen Protesten gegen die Startbahn West oder die geplante atomare Wackersdorfer Anlage dabei und gründete mit seinem Journalistenkollegen Robert Andreasch 1989 die Dokumentationsstelle AIDA. Ziel war es, genauer hineinzuleuchten in die braunen Umtriebe, die gerade auch in Bayern nur allzu oft unter den Teppich gekehrt wurden, Erkenntnisse systematisch zu sammeln und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dazu wurden Veröffentlichungen ausgewertet, rechte Treffen beobachtet, nach Verbindungen der Szene geforscht und Vorträge darüber gehalten – alles ehrenamtlich. Mitstreiter*innen und Förder*innen kamen hinzu und verbreiterten das Aktionsfeld.
Gerade die 1990er Jahre mit dem starken Anstieg rassistischer Aktivitäten zeigten schon damals die Notwendigkeit dieser Arbeit, fanden aber noch nicht überall breites Gehör. Dazu trug auch bei, dass die Akteure von AIDA aus dem linken Spektrum kamen, was den Bayerischen Verfassungsschutz veranlasste, AIDA in Verfassungsschutzberichten unter die Rubrik „Linksextremismus“ einzuordnen und im Bericht für 2011 zu unterstellen, dass deren Arbeit nur vorgebe, „politische Bildungsarbeit zu leisten“. AIDA erhielt große Solidarität angesichts dieser Diffamierung, ging gerichtlich dagegen vor und konnte die Streichung aus den Verfassungsschutzberichten erreichen.
Für Marcus Buschmüller war das auch eine große persönliche Genugtuung, weil nun endlich sein unermüdliches antifaschistisches Wirken auf breitere Resonanz stieß, zu Auszeichnungen und zum Aufbau eines von der Stadt München geförderten Netzwerks führte, das vom AIDA-Archiv, der „Fachstelle für Demokratie“, der Opferberatungsorganisation „BEFORE“ bis zur „Fachinformationsstelle Rechtsextremismus“ reicht, bei der Marcus Buschmüller in Teilzeit arbeitete.
Dass antifaschistisches Handeln auch in Bayern nicht mehr so leicht als bloß linksradikales Aktionsfeld beargwöhnt, sondern Ideologie und Handeln der rechten Szene endlich als wirkliche Bedrohung aufgefasst werden, dazu haben Marcus Buschmüller und das gesamte AIDA-Team wesentlich beigetragen.
Das hing auch mit der zurückhaltenden, leisen, aber in der Sache hartnäckigen Art von Marcus zusammen, die jedem Gegenüber die Ernsthaftigkeit seines Engagements gegen alle Formen von Menschenfeindlichkeit immer deutlich machte.
Es ist gut zu wissen, dass die Arbeit von Marcus Buschmüller so viele Spuren hinterlassen hat und weitergetragen wird – denn Antifaschismus ist Grundlage einer humanen Gesellschaft.
Im März 2019 fand im Feierwerk, in dem auch AIDA seinen Sitz hat, zum Abschluss einer Ausstellung über die italienische Resistenza eine Lesung und ein Konzert mit Esther Bejarano und der Microphone Mafia statt. Die über 90jährige Auschwitz-Überlebende Esther begeisterte besonders die Jüngeren mit ihrer Botschaft vom lebensnotwendigen Kampf gegen Rechts. Marcus Buschmüller stand wie immer etwas abseits, lächelte versonnen, aber dennoch war ihm deutlich anzumerken, wie glücklich ihn dieses breite, Generationen übergreifende Engagement für eine solidarische Welt ohne Ausgrenzung machte.
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen, München und Bayern (Friedbert Mühldorfer)