Stellungnahme zu den Diffamierungen der VVN-BdA Bayern durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Staatsministerium des Inneren
8. November 2010
Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009, im Schreiben des ehem. Innenstaatssekretärs Dr. Weiß vom 3.6.2009 an die Präsidentin des Bayerischen Landtags, im Schreiben des Bayerischen Staatsministers des Innern, Joachim Herrmann, vom 6.7.2009 an das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und im Schreiben des Ministerialdirigenten im Bayerischen Innenministerium, Dr. Remmele, vom 18.3.2009 an die VVN-BdA Bayern wird wiederum die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ bezeichnet und deren Erwähnung im Bayerischen Verfassungsschutzbericht gerechtfertigt.Diese Einschätzung ist eine Diffamierung der VVN-BdA und missachtet völlig Ziele und Wirken der VVN-BdA. Diese Einschätzung gibt es nur in Bayern und Baden-Württemberg; im Bund und in allen sonstigen Bundesländern wird die VVN nicht in den Verfassungsschutzberichten erwähnt.
Es ist ein Skandal, dass in Bayern nach wie vor eine Organisation, in der sich Menschen für Demokratie und Frieden engagieren, derart diskriminiert wird. Die Etikettierung der VVN als „linksextremistisch“ ist vor allem auch eine persönliche Diffamierung der älteren Mitglieder der VVN, die unter dem Naziterror in Konzentrationslagern leiden mussten: Diejenigen, die sich damals den Nazis entgegenstellten und noch heute in hohem Alter die Jugend aufklären möchten, werden letztlich als „Extremisten“ auf die gleiche Stufe wie die Neonazis gestellt. Besonders bezeichnend ist die Formulierung im Verfassungsschutzbericht 2009: „Öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der Organisation darüber hinaus [neben dem Engagement für ein NPD-Verbot, d.V.] einen demokratischen Anstrich verleihen“ (S. 184). Mit diesem Satz werden ehemalige Häftlinge entweder als gutgläubige, von finsteren VVN-Mächten instrumentalisierte Opfer hingestellt – oder deren Engagement gegen alte und neue Nazis wird als rein taktisches Manöver gewertet. Beides ist gleichermaßen empörend.
Seit Jahren werden keinerlei stichhaltige Belege für die Diffamierung der VVN vorgebracht; dem Landesamt genügt auch diesmal wieder die bloße Behauptung, dass bei der bayerischen VVN der „Einfluss von Linksextremisten“ maßgeblich sei; außerdem reiche die Bündnisarbeit der VVN „bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 184; immerhin: Im Bericht 2008 reichte der Einfluss noch „weit“ hinein!).
Leider wird an keiner Stelle der Erklärungen des Innenministeriums oder des Landesamtes für Verfassungsschutz die wirkliche Arbeit der bayerischen VVN zur Kenntnis genommen, die sich seit vielen Jahren aktiv gegen Rechtsextremismus engagiert und möglichst breite Bevölkerungskreise zu einem demokratischen, friedlichen Engagement bewegen will. Im Bund und in fast allen Bundesländern wird deshalb die VVN-BdA in den Verfassungsschutzberichten nicht erwähnt. So erscheint der bayerische „Sonderweg“ in Sachen VVN absurd und anachronistisch angesichts der Tatsachen, dass beispielsweise
der Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA, Esther Bejarano, Mitglied im sog. „Mädchenorchester Auschwitz“, vor zwei Jahren vom Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde unter ausdrücklicher Anerkennung ihrer Arbeit in der VVN; dem langjährigen Mitglied des Landevorstand der VVN-Bayern, der NS-Verfolgten und Augsburger Ehrenbürgerin Anni Pröll, vor einigen Jahren vom ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ebenfalls das Bundesverdienstkreuz überreicht wurde; der Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl (CSU) sich Anfang März 2009 bei der Augsburger VVN „sehr herzlich“ bedankt hat für die Teilnahme am Aktionstag gegen Neonazis: „Sie haben mit Ihrer engagierten Aktion (…) ein gutes Stück dazu mitgeholfen, den Ruf Augsburgs als Ort der Demokratie (…) zu festigen“; an verstorbene Mitglieder der bayerischen VVN in verschiedenen Städten mit Straßennamen erinnert wird; die NS-Verfolgten Ernst Grube und Martin Löwenberg mit Auszeichnungen wie „München leuchtet“ von der Stadt München geehrt wurden und Ernst Grube in verschiedenen Gremien seit Jahren auch mit Vertretern der Bayerischen Staatsregierung wirkt; im „Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus“ Partner wie der DGB, die Katholische Arbeitnehmerbewegung, das Erzbistum Bamberg, die Evangelische Kirche, die Israelitische Kultusgemeinde oder der Stadtjugendring gemeinsam mit der Bamberger VVN arbeiten; die VVN an vielen Orten in Bayern ein geschätzter und zuverlässiger Partner von Kommunen und Organisationen ist, wenn es darum geht, das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus wach zu halten und dem Wiederaufleben von Rassismus, Antisemitismus und rechtsextremer Ideologie entgegenzutreten.
Die von der bayerischen Regierung vorgebrachten Gründe für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der VVN-BdA erweisen sich nicht als Tatsachen, sondern als bloße Vermutungen ohne Begründung. Da es für das Innenministerium nicht möglich ist, konkrete Sachverhalte zu benennen, wird entsprechend einer Verschwörungstheorie unterstellt, dass die vielen gutgläubigen Mitglieder der VVN und deren gutgläubige Bündnispartner den wahren extremistischen Charakter der VVN nicht „erkennen“, ihn in „Kauf nehmen“ oder ihn „bagatellisieren“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) würden.
Wahrheitswidrig: „kommunistisch orientierter Antifaschismus“
Der VVN wird wahrheitswidrig unterstellt, sie orientiere sich an der „kommunistischen Dimitroff-Theorie“, wonach die „Ursache für Faschismus zwangsläufig im Kapitalismus und in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zu suchen“ (Schreiben des Staatssekretärs Weiß) sei. Abgesehen von der recht vereinfachten Beschreibung dieser Theorie: Die VVN-BdA hat immer Wert darauf gelegt, keine bestimmte Auffassung über Ursachen von Faschismus und Nationalsozialismus zu vertreten oder verbindlich vorzuschreiben. Warum nimmt das Innenministerium die weltanschauliche Breite der VVN-BdA nicht zur Kenntnis? Warum missachtet es die Passage einer Entschließung der Landeskonferenz der VVN Bayern 2008, in der es heißt:
„Die geschichtlichen Erfahrungen ernst nehmen – Zusammenarbeit gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit fördern
Vor über 60 Jahren gründeten auch in Bayern ehemalige NS-Verfolgte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Grundlage der VVN war ein Konsens, der entstanden ist aus dem früheren Gegeneinander und den nachfolgenden leidvollen Erfahrungen von Nazigegnern verschiedenster politischer Positionen: Nur gemeinsam, ohne jede Ausgrenzung, ohne jeden Wahrheitsanspruch, ohne jede Instrumentalisierung für eine weltanschauliche Zielsetzung können antifaschistische Kräfte so stark werden, den Faschismus zu verhindern. Weil letztlich weite Teile der Gesellschaft vom Faschismus betroffen sind, müssen weite Teile der Gesellschaft einbezogen werden. Inhaltlich zeigen Zukunftsprogramme des Widerstandes, das Potsdamer Abkommen, Verlautbarungen der ersten VVN-Gruppen, das Grundgesetz und insbesondere die Bayerische Verfassung die Breite jenes „antifaschistischen Konsens“: Er war weder antikapitalistisch noch antisozialistisch, sondern hatte eine Gesellschaft zum Ziel, in der demokratische Freiheiten und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen gewährleistet, wirtschaftliche Machtkonzentration verhindert, konsequente Friedenspolitik gesichert und jegliche faschistische Propaganda und Aktivität ausgeschaltet sein sollten.“
Aufgrund dieses Selbstverständnisses gibt es in der VVN deshalb bis heute ein breites Spektrum an Anschauungen über Ursachen des Faschismus, darunter eben auch die Auffassung von einem engen Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus. Im Übrigen bleibt völlig unverständlich, wieso letztere Deutung des Faschismus verfassungsfeindlich sein soll; auch erste Erklärungen der CSU im Nachkriegsbayern oder auch manche Bestimmungen der Bayerischen Verfassung haben in diesem Verständnis ihre Wurzeln. Verwiesen sei hier nur auf den Bericht des NS-Verfolgten und späteren bayerischen Ministers Alois Schlögl, CSU, im vorbereitenden Verfassungsausschuss zum Kapitel Wirtschaft am 13.9.1946, wo er u.a. ausführte: „In den zwölf Jahren feierte der Privatkapitalismus wahre Triumphe. Er kam durch Kapitalisten im wahrsten Sinne des Wortes zur Macht“. Ist es verfassungsfeindlich, wenn neben vielen anderen Auffassungen in der VVN heute auch solche Positionen vertreten werden?
Wahrheitswidrig: Antidemokratische Ziele
Bemerkenswert ist, dass in den o.g. Schreiben und überwiegend auch im bayerischen Verfassungsschutzbericht nicht Aktivitäten des Landesverbandes Bayern der VVN, sondern einzelne Äußerungen des Bundesvorsitzenden oder eines der Bundessprecher als „Belege“ benützt werden (die freilich den Bundesbehörden keinen Anlass geben, die VVN als verfassungsfeindlich zu bezeichnen). Statt solche kritischen Äußerungen auf Bundesebene (Kritik am Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, Kritik an Einschränkungen von Bürgerrechten, Kritik an mangelndem staatlichen Vorgehen gegen Rechtsextremismus, Warnung vor zunehmender Militarisierung und Kritik am Bundeswehreinsatz im Inneren und im Ausland) als Teil demokratisch legitimer Kritik zu werten, sieht das Bayerische Innenministerium hierin bereits Hinweise auf verfassungsfeindliche Positionen.
Der VVN wird damit vorgehalten, sie kämpfe nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern letztlich vor allem auch gegen die „parlamentarische Demokratie“, die als „potenziell faschistisch“ betrachtet werde und „die es zu bekämpfen“ gelte (Verfassungsschutzbericht 2009, S. 184). Belege für diese Behauptung werden natürlich nicht erbracht. Sie wären auch schwer zu liefern, da die VVN nirgends den demokratischen Staat an sich bekämpft, sondern lediglich immer wieder eindringlich davor warnt, wenn in Politik und Verwaltung nicht genügend konsequent gegen den Rechtsradikalismus vorgegangen wird. Solche Kritik erachten wir als demokratische Pflicht und hat mit „Bekämpfung des Staats“ nichts zu tun; verwiesen sei hier nur auf die wiederholte notwendige Kritik etwa des Zentralrats der Juden in Deutschland an mangelndem staatlichen Handeln gegenüber antisemitischen Tendenzen. Es ist mehr als bedenklich hinsichtlich des Verständnisses von Demokratie, wenn das Bayerische Innenministerium Kritik an einzelnen politischen Maßnahmen der Exekutive als „diffamierende Beschreibung der Verfassungswirklichkeit“ erachtet und daraus „ein grundsätzliches Infragestellen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) konstruiert.
Wahrheitswidrig: Maßgeblicher Einfluss von Linksextremisten
Ohne Belege, einfach unterstellt wird der bayerischen VVN auch im Verfassungsschutzbericht 2009 (S. 184), dass in der Bayerischen VVN-BdA „der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, maßgeblich“ sei und zur Partei DIE LINKE …ebenfalls Kontakte … bestehen“. Diese Einschätzung geht an der Wirklichkeit vorbei und übernimmt einfach alte Behauptungen. Dass der Großteil der bayerischen VVN-Mitglieder wohl überhaupt nicht parteipolitisch organisiert ist, dass sich auf allen Ebenen in Vorständen Unorganisierte und auch Mitglieder der verschiedensten Parteien finden, wird im Verfassungsschutzbericht einfach unterschlagen. Dass es unter Mitgliedern und Funktionären der VVN auch Angehörige der DKP und der Partei „Die Linke“ gibt, ist selbstverständlich für eine Organisation, die ja bewusst Menschen aus allen weltanschaulichen Lagern ansprechen will, um ungeachtet von Parteizugehörigkeit gemeinsam gegen den Rechtsextremismus zu wirken. Deshalb gibt es in der bayerischen VVN-BdA bei der Aufnahme von Mitgliedern auch keine Frage nach der Parteizugehörigkeit; sie kann und darf für eine antifaschistische Organisation keine Rolle spielen. Dass die VVN-BdA Kontakte zu allen demokratischen Parteien pflegt, ist für eine politische Organisation ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen: Natürlich fanden sich auch in der bayerischen VVN bei der Gründung bereits viele Kommunistinnen und Kommunisten. Dies hatte seine Ursache aber nicht in irgendwelchen „Infiltrationsversuchen“, sondern im Umstand, dass die Kommunisten in der NS-Zeit besonderer Verfolgung ausgesetzt waren. Die Häftlingskartei in der KZ-Gedenkstätte Dachau zeigt dies nachdrücklich.
Wahrheitswidrig: Fehlende Distanzierung von Gewalt
Als Schwerpunkte der Arbeit der bayerischen VVN werden im Verfassungsschutzbericht das Bemühen um ein NPD-Verbot und das Wirken gegen Antisemitismus, Rassismus und Sozialabbau bezeichnet. Was an diesen Schwerpunkten, die kirchliche oder gewerkschaftliche Kreise ebenso setzen, verfassungsfeindlich sein soll, bleibt unklar.
Da der VVN Bayern keinerlei „Gewaltbereitschaft“ – als wichtiges Kriterium des Extremismusvorwurfs – zuzuschreiben ist, konstruiert der Verfassungsschutzbericht 2009 die „Unterstützung von Protesten … bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 185).. Als Beispiel für „die breite Bündnisarbeit“ wird dann lediglich ein Antifaschistisches Jugendcamp erwähnt, bei dem „Jugendliche aus allen antifaschistischen Spektren“ zusammengekommen seien. Diese Methode der Begründung ist infam, weil die angebliche Nähe zur Gewaltbereitschaft behauptet, aber nirgendwo belegt wird. Stattdessen wird unterschlagen, dass zu diesem Jugendcamp in den letzten Jahren auch die beiden NS-Verfolgten Max Mannheimer, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und Träger höchster Auszeichnungen sowie Martin Löwenberg, Träger der Auszeichnung „München leuchtet“ und Landesvorstandsmitglied der bayerischen VVN, zu diesem Camp eingeladen waren und Gespräche mit den Jugendlichen führten.
Die Wirklichkeit nimmt der Verfassungsschutzbericht einfach nicht zur Kenntnis: Die VVN in Bayern wirkt in allen Bündnissen gegen Rechtsextremismus darauf hin, gewaltfrei und solidarisch zu handeln und möglichst breite Kreise zu erreichen. Es ist absurd, einer Organisation wie der VVN, deren Gründer die Gewalttaten der Nazis und die Zerstörung der Demokratie am eigenen Leib erleben mussten, die sich zeitlebens für die Festigung der Demokratie eingesetzt haben, heute Gewaltbereitschaft zu unterstellen.
Wer die Arbeit der bayerischen VVN vorurteilsfrei zur Kenntnis nimmt, wird feststellen, dass sie einen wichtigen Beitrag leistet zum bürgerschaftlichen Engagement gegen den leider wieder erstarkenden Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Dieser Beitrag ist wichtig für den Schutz von Verfassung und Demokratie. Auch das Bayerische Innenministerium sollte dies endlich würdigen.
Deshalb ist die Erwähnung der VVN-BdA durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern nicht gerechtfertigt. Wir fordern daher, die Beobachtung der VVN-BdA einzustellen und sie in den Berichten des Verfassungsschutzes nicht mehr zu erwähnen.
Stellungnahme zu den Diffamierungen der VVN-BdA Bayern durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Staatsministerium des Inneren
8. November 2010
Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009, im Schreiben des ehem. Innenstaatssekretärs Dr. Weiß vom 3.6.2009 an die Präsidentin des Bayerischen Landtags, im Schreiben des Bayerischen Staatsministers des Innern, Joachim Herrmann, vom 6.7.2009 an das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und im Schreiben des Ministerialdirigenten im Bayerischen Innenministerium, Dr. Remmele, vom 18.3.2009 an die VVN-BdA Bayern wird wiederum die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ bezeichnet und deren Erwähnung im Bayerischen Verfassungsschutzbericht gerechtfertigt.Diese Einschätzung ist eine Diffamierung der VVN-BdA und missachtet völlig Ziele und Wirken der VVN-BdA. Diese Einschätzung gibt es nur in Bayern und Baden-Württemberg; im Bund und in allen sonstigen Bundesländern wird die VVN nicht in den Verfassungsschutzberichten erwähnt.
Es ist ein Skandal, dass in Bayern nach wie vor eine Organisation, in der sich Menschen für Demokratie und Frieden engagieren, derart diskriminiert wird. Die Etikettierung der VVN als „linksextremistisch“ ist vor allem auch eine persönliche Diffamierung der älteren Mitglieder der VVN, die unter dem Naziterror in Konzentrationslagern leiden mussten: Diejenigen, die sich damals den Nazis entgegenstellten und noch heute in hohem Alter die Jugend aufklären möchten, werden letztlich als „Extremisten“ auf die gleiche Stufe wie die Neonazis gestellt. Besonders bezeichnend ist die Formulierung im Verfassungsschutzbericht 2009: „Öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der Organisation darüber hinaus [neben dem Engagement für ein NPD-Verbot, d.V.] einen demokratischen Anstrich verleihen“ (S. 184). Mit diesem Satz werden ehemalige Häftlinge entweder als gutgläubige, von finsteren VVN-Mächten instrumentalisierte Opfer hingestellt – oder deren Engagement gegen alte und neue Nazis wird als rein taktisches Manöver gewertet. Beides ist gleichermaßen empörend.
Seit Jahren werden keinerlei stichhaltige Belege für die Diffamierung der VVN vorgebracht; dem Landesamt genügt auch diesmal wieder die bloße Behauptung, dass bei der bayerischen VVN der „Einfluss von Linksextremisten“ maßgeblich sei; außerdem reiche die Bündnisarbeit der VVN „bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 184; immerhin: Im Bericht 2008 reichte der Einfluss noch „weit“ hinein!).
Leider wird an keiner Stelle der Erklärungen des Innenministeriums oder des Landesamtes für Verfassungsschutz die wirkliche Arbeit der bayerischen VVN zur Kenntnis genommen, die sich seit vielen Jahren aktiv gegen Rechtsextremismus engagiert und möglichst breite Bevölkerungskreise zu einem demokratischen, friedlichen Engagement bewegen will. Im Bund und in fast allen Bundesländern wird deshalb die VVN-BdA in den Verfassungsschutzberichten nicht erwähnt. So erscheint der bayerische „Sonderweg“ in Sachen VVN absurd und anachronistisch angesichts der Tatsachen, dass beispielsweise
der Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA, Esther Bejarano, Mitglied im sog. „Mädchenorchester Auschwitz“, vor zwei Jahren vom Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde unter ausdrücklicher Anerkennung ihrer Arbeit in der VVN; dem langjährigen Mitglied des Landevorstand der VVN-Bayern, der NS-Verfolgten und Augsburger Ehrenbürgerin Anni Pröll, vor einigen Jahren vom ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ebenfalls das Bundesverdienstkreuz überreicht wurde; der Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl (CSU) sich Anfang März 2009 bei der Augsburger VVN „sehr herzlich“ bedankt hat für die Teilnahme am Aktionstag gegen Neonazis: „Sie haben mit Ihrer engagierten Aktion (…) ein gutes Stück dazu mitgeholfen, den Ruf Augsburgs als Ort der Demokratie (…) zu festigen“; an verstorbene Mitglieder der bayerischen VVN in verschiedenen Städten mit Straßennamen erinnert wird; die NS-Verfolgten Ernst Grube und Martin Löwenberg mit Auszeichnungen wie „München leuchtet“ von der Stadt München geehrt wurden und Ernst Grube in verschiedenen Gremien seit Jahren auch mit Vertretern der Bayerischen Staatsregierung wirkt; im „Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus“ Partner wie der DGB, die Katholische Arbeitnehmerbewegung, das Erzbistum Bamberg, die Evangelische Kirche, die Israelitische Kultusgemeinde oder der Stadtjugendring gemeinsam mit der Bamberger VVN arbeiten; die VVN an vielen Orten in Bayern ein geschätzter und zuverlässiger Partner von Kommunen und Organisationen ist, wenn es darum geht, das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus wach zu halten und dem Wiederaufleben von Rassismus, Antisemitismus und rechtsextremer Ideologie entgegenzutreten.
Die von der bayerischen Regierung vorgebrachten Gründe für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der VVN-BdA erweisen sich nicht als Tatsachen, sondern als bloße Vermutungen ohne Begründung. Da es für das Innenministerium nicht möglich ist, konkrete Sachverhalte zu benennen, wird entsprechend einer Verschwörungstheorie unterstellt, dass die vielen gutgläubigen Mitglieder der VVN und deren gutgläubige Bündnispartner den wahren extremistischen Charakter der VVN nicht „erkennen“, ihn in „Kauf nehmen“ oder ihn „bagatellisieren“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) würden.
Wahrheitswidrig: „kommunistisch orientierter Antifaschismus“
Der VVN wird wahrheitswidrig unterstellt, sie orientiere sich an der „kommunistischen Dimitroff-Theorie“, wonach die „Ursache für Faschismus zwangsläufig im Kapitalismus und in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zu suchen“ (Schreiben des Staatssekretärs Weiß) sei. Abgesehen von der recht vereinfachten Beschreibung dieser Theorie: Die VVN-BdA hat immer Wert darauf gelegt, keine bestimmte Auffassung über Ursachen von Faschismus und Nationalsozialismus zu vertreten oder verbindlich vorzuschreiben. Warum nimmt das Innenministerium die weltanschauliche Breite der VVN-BdA nicht zur Kenntnis? Warum missachtet es die Passage einer Entschließung der Landeskonferenz der VVN Bayern 2008, in der es heißt:
„Die geschichtlichen Erfahrungen ernst nehmen – Zusammenarbeit gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit fördern
Vor über 60 Jahren gründeten auch in Bayern ehemalige NS-Verfolgte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Grundlage der VVN war ein Konsens, der entstanden ist aus dem früheren Gegeneinander und den nachfolgenden leidvollen Erfahrungen von Nazigegnern verschiedenster politischer Positionen: Nur gemeinsam, ohne jede Ausgrenzung, ohne jeden Wahrheitsanspruch, ohne jede Instrumentalisierung für eine weltanschauliche Zielsetzung können antifaschistische Kräfte so stark werden, den Faschismus zu verhindern. Weil letztlich weite Teile der Gesellschaft vom Faschismus betroffen sind, müssen weite Teile der Gesellschaft einbezogen werden. Inhaltlich zeigen Zukunftsprogramme des Widerstandes, das Potsdamer Abkommen, Verlautbarungen der ersten VVN-Gruppen, das Grundgesetz und insbesondere die Bayerische Verfassung die Breite jenes „antifaschistischen Konsens“: Er war weder antikapitalistisch noch antisozialistisch, sondern hatte eine Gesellschaft zum Ziel, in der demokratische Freiheiten und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen gewährleistet, wirtschaftliche Machtkonzentration verhindert, konsequente Friedenspolitik gesichert und jegliche faschistische Propaganda und Aktivität ausgeschaltet sein sollten.“
Aufgrund dieses Selbstverständnisses gibt es in der VVN deshalb bis heute ein breites Spektrum an Anschauungen über Ursachen des Faschismus, darunter eben auch die Auffassung von einem engen Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus. Im Übrigen bleibt völlig unverständlich, wieso letztere Deutung des Faschismus verfassungsfeindlich sein soll; auch erste Erklärungen der CSU im Nachkriegsbayern oder auch manche Bestimmungen der Bayerischen Verfassung haben in diesem Verständnis ihre Wurzeln. Verwiesen sei hier nur auf den Bericht des NS-Verfolgten und späteren bayerischen Ministers Alois Schlögl, CSU, im vorbereitenden Verfassungsausschuss zum Kapitel Wirtschaft am 13.9.1946, wo er u.a. ausführte: „In den zwölf Jahren feierte der Privatkapitalismus wahre Triumphe. Er kam durch Kapitalisten im wahrsten Sinne des Wortes zur Macht“. Ist es verfassungsfeindlich, wenn neben vielen anderen Auffassungen in der VVN heute auch solche Positionen vertreten werden?
Wahrheitswidrig: Antidemokratische Ziele
Bemerkenswert ist, dass in den o.g. Schreiben und überwiegend auch im bayerischen Verfassungsschutzbericht nicht Aktivitäten des Landesverbandes Bayern der VVN, sondern einzelne Äußerungen des Bundesvorsitzenden oder eines der Bundessprecher als „Belege“ benützt werden (die freilich den Bundesbehörden keinen Anlass geben, die VVN als verfassungsfeindlich zu bezeichnen). Statt solche kritischen Äußerungen auf Bundesebene (Kritik am Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, Kritik an Einschränkungen von Bürgerrechten, Kritik an mangelndem staatlichen Vorgehen gegen Rechtsextremismus, Warnung vor zunehmender Militarisierung und Kritik am Bundeswehreinsatz im Inneren und im Ausland) als Teil demokratisch legitimer Kritik zu werten, sieht das Bayerische Innenministerium hierin bereits Hinweise auf verfassungsfeindliche Positionen.
Der VVN wird damit vorgehalten, sie kämpfe nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern letztlich vor allem auch gegen die „parlamentarische Demokratie“, die als „potenziell faschistisch“ betrachtet werde und „die es zu bekämpfen“ gelte (Verfassungsschutzbericht 2009, S. 184). Belege für diese Behauptung werden natürlich nicht erbracht. Sie wären auch schwer zu liefern, da die VVN nirgends den demokratischen Staat an sich bekämpft, sondern lediglich immer wieder eindringlich davor warnt, wenn in Politik und Verwaltung nicht genügend konsequent gegen den Rechtsradikalismus vorgegangen wird. Solche Kritik erachten wir als demokratische Pflicht und hat mit „Bekämpfung des Staats“ nichts zu tun; verwiesen sei hier nur auf die wiederholte notwendige Kritik etwa des Zentralrats der Juden in Deutschland an mangelndem staatlichen Handeln gegenüber antisemitischen Tendenzen. Es ist mehr als bedenklich hinsichtlich des Verständnisses von Demokratie, wenn das Bayerische Innenministerium Kritik an einzelnen politischen Maßnahmen der Exekutive als „diffamierende Beschreibung der Verfassungswirklichkeit“ erachtet und daraus „ein grundsätzliches Infragestellen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) konstruiert.
Wahrheitswidrig: Maßgeblicher Einfluss von Linksextremisten
Ohne Belege, einfach unterstellt wird der bayerischen VVN auch im Verfassungsschutzbericht 2009 (S. 184), dass in der Bayerischen VVN-BdA „der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, maßgeblich“ sei und zur Partei DIE LINKE …ebenfalls Kontakte … bestehen“. Diese Einschätzung geht an der Wirklichkeit vorbei und übernimmt einfach alte Behauptungen. Dass der Großteil der bayerischen VVN-Mitglieder wohl überhaupt nicht parteipolitisch organisiert ist, dass sich auf allen Ebenen in Vorständen Unorganisierte und auch Mitglieder der verschiedensten Parteien finden, wird im Verfassungsschutzbericht einfach unterschlagen. Dass es unter Mitgliedern und Funktionären der VVN auch Angehörige der DKP und der Partei „Die Linke“ gibt, ist selbstverständlich für eine Organisation, die ja bewusst Menschen aus allen weltanschaulichen Lagern ansprechen will, um ungeachtet von Parteizugehörigkeit gemeinsam gegen den Rechtsextremismus zu wirken. Deshalb gibt es in der bayerischen VVN-BdA bei der Aufnahme von Mitgliedern auch keine Frage nach der Parteizugehörigkeit; sie kann und darf für eine antifaschistische Organisation keine Rolle spielen. Dass die VVN-BdA Kontakte zu allen demokratischen Parteien pflegt, ist für eine politische Organisation ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen: Natürlich fanden sich auch in der bayerischen VVN bei der Gründung bereits viele Kommunistinnen und Kommunisten. Dies hatte seine Ursache aber nicht in irgendwelchen „Infiltrationsversuchen“, sondern im Umstand, dass die Kommunisten in der NS-Zeit besonderer Verfolgung ausgesetzt waren. Die Häftlingskartei in der KZ-Gedenkstätte Dachau zeigt dies nachdrücklich.
Wahrheitswidrig: Fehlende Distanzierung von Gewalt
Als Schwerpunkte der Arbeit der bayerischen VVN werden im Verfassungsschutzbericht das Bemühen um ein NPD-Verbot und das Wirken gegen Antisemitismus, Rassismus und Sozialabbau bezeichnet. Was an diesen Schwerpunkten, die kirchliche oder gewerkschaftliche Kreise ebenso setzen, verfassungsfeindlich sein soll, bleibt unklar.
Da der VVN Bayern keinerlei „Gewaltbereitschaft“ – als wichtiges Kriterium des Extremismusvorwurfs – zuzuschreiben ist, konstruiert der Verfassungsschutzbericht 2009 die „Unterstützung von Protesten … bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 185).. Als Beispiel für „die breite Bündnisarbeit“ wird dann lediglich ein Antifaschistisches Jugendcamp erwähnt, bei dem „Jugendliche aus allen antifaschistischen Spektren“ zusammengekommen seien. Diese Methode der Begründung ist infam, weil die angebliche Nähe zur Gewaltbereitschaft behauptet, aber nirgendwo belegt wird. Stattdessen wird unterschlagen, dass zu diesem Jugendcamp in den letzten Jahren auch die beiden NS-Verfolgten Max Mannheimer, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und Träger höchster Auszeichnungen sowie Martin Löwenberg, Träger der Auszeichnung „München leuchtet“ und Landesvorstandsmitglied der bayerischen VVN, zu diesem Camp eingeladen waren und Gespräche mit den Jugendlichen führten.
Die Wirklichkeit nimmt der Verfassungsschutzbericht einfach nicht zur Kenntnis: Die VVN in Bayern wirkt in allen Bündnissen gegen Rechtsextremismus darauf hin, gewaltfrei und solidarisch zu handeln und möglichst breite Kreise zu erreichen. Es ist absurd, einer Organisation wie der VVN, deren Gründer die Gewalttaten der Nazis und die Zerstörung der Demokratie am eigenen Leib erleben mussten, die sich zeitlebens für die Festigung der Demokratie eingesetzt haben, heute Gewaltbereitschaft zu unterstellen.
Wer die Arbeit der bayerischen VVN vorurteilsfrei zur Kenntnis nimmt, wird feststellen, dass sie einen wichtigen Beitrag leistet zum bürgerschaftlichen Engagement gegen den leider wieder erstarkenden Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Dieser Beitrag ist wichtig für den Schutz von Verfassung und Demokratie. Auch das Bayerische Innenministerium sollte dies endlich würdigen.
Deshalb ist die Erwähnung der VVN-BdA durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern nicht gerechtfertigt. Wir fordern daher, die Beobachtung der VVN-BdA einzustellen und sie in den Berichten des Verfassungsschutzes nicht mehr zu erwähnen.
Stellungnahme zu den Diffamierungen der VVN-BdA Bayern durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Staatsministerium des Inneren
8. November 2010
Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009, im Schreiben des ehem. Innenstaatssekretärs Dr. Weiß vom 3.6.2009 an die Präsidentin des Bayerischen Landtags, im Schreiben des Bayerischen Staatsministers des Innern, Joachim Herrmann, vom 6.7.2009 an das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und im Schreiben des Ministerialdirigenten im Bayerischen Innenministerium, Dr. Remmele, vom 18.3.2009 an die VVN-BdA Bayern wird wiederum die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ bezeichnet und deren Erwähnung im Bayerischen Verfassungsschutzbericht gerechtfertigt.Diese Einschätzung ist eine Diffamierung der VVN-BdA und missachtet völlig Ziele und Wirken der VVN-BdA. Diese Einschätzung gibt es nur in Bayern und Baden-Württemberg; im Bund und in allen sonstigen Bundesländern wird die VVN nicht in den Verfassungsschutzberichten erwähnt.
Es ist ein Skandal, dass in Bayern nach wie vor eine Organisation, in der sich Menschen für Demokratie und Frieden engagieren, derart diskriminiert wird. Die Etikettierung der VVN als „linksextremistisch“ ist vor allem auch eine persönliche Diffamierung der älteren Mitglieder der VVN, die unter dem Naziterror in Konzentrationslagern leiden mussten: Diejenigen, die sich damals den Nazis entgegenstellten und noch heute in hohem Alter die Jugend aufklären möchten, werden letztlich als „Extremisten“ auf die gleiche Stufe wie die Neonazis gestellt. Besonders bezeichnend ist die Formulierung im Verfassungsschutzbericht 2009: „Öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der Organisation darüber hinaus [neben dem Engagement für ein NPD-Verbot, d.V.] einen demokratischen Anstrich verleihen“ (S. 184). Mit diesem Satz werden ehemalige Häftlinge entweder als gutgläubige, von finsteren VVN-Mächten instrumentalisierte Opfer hingestellt – oder deren Engagement gegen alte und neue Nazis wird als rein taktisches Manöver gewertet. Beides ist gleichermaßen empörend.
Seit Jahren werden keinerlei stichhaltige Belege für die Diffamierung der VVN vorgebracht; dem Landesamt genügt auch diesmal wieder die bloße Behauptung, dass bei der bayerischen VVN der „Einfluss von Linksextremisten“ maßgeblich sei; außerdem reiche die Bündnisarbeit der VVN „bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 184; immerhin: Im Bericht 2008 reichte der Einfluss noch „weit“ hinein!).
Leider wird an keiner Stelle der Erklärungen des Innenministeriums oder des Landesamtes für Verfassungsschutz die wirkliche Arbeit der bayerischen VVN zur Kenntnis genommen, die sich seit vielen Jahren aktiv gegen Rechtsextremismus engagiert und möglichst breite Bevölkerungskreise zu einem demokratischen, friedlichen Engagement bewegen will. Im Bund und in fast allen Bundesländern wird deshalb die VVN-BdA in den Verfassungsschutzberichten nicht erwähnt. So erscheint der bayerische „Sonderweg“ in Sachen VVN absurd und anachronistisch angesichts der Tatsachen, dass beispielsweise
der Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA, Esther Bejarano, Mitglied im sog. „Mädchenorchester Auschwitz“, vor zwei Jahren vom Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde unter ausdrücklicher Anerkennung ihrer Arbeit in der VVN; dem langjährigen Mitglied des Landevorstand der VVN-Bayern, der NS-Verfolgten und Augsburger Ehrenbürgerin Anni Pröll, vor einigen Jahren vom ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ebenfalls das Bundesverdienstkreuz überreicht wurde; der Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl (CSU) sich Anfang März 2009 bei der Augsburger VVN „sehr herzlich“ bedankt hat für die Teilnahme am Aktionstag gegen Neonazis: „Sie haben mit Ihrer engagierten Aktion (…) ein gutes Stück dazu mitgeholfen, den Ruf Augsburgs als Ort der Demokratie (…) zu festigen“; an verstorbene Mitglieder der bayerischen VVN in verschiedenen Städten mit Straßennamen erinnert wird; die NS-Verfolgten Ernst Grube und Martin Löwenberg mit Auszeichnungen wie „München leuchtet“ von der Stadt München geehrt wurden und Ernst Grube in verschiedenen Gremien seit Jahren auch mit Vertretern der Bayerischen Staatsregierung wirkt; im „Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus“ Partner wie der DGB, die Katholische Arbeitnehmerbewegung, das Erzbistum Bamberg, die Evangelische Kirche, die Israelitische Kultusgemeinde oder der Stadtjugendring gemeinsam mit der Bamberger VVN arbeiten; die VVN an vielen Orten in Bayern ein geschätzter und zuverlässiger Partner von Kommunen und Organisationen ist, wenn es darum geht, das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus wach zu halten und dem Wiederaufleben von Rassismus, Antisemitismus und rechtsextremer Ideologie entgegenzutreten.
Die von der bayerischen Regierung vorgebrachten Gründe für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der VVN-BdA erweisen sich nicht als Tatsachen, sondern als bloße Vermutungen ohne Begründung. Da es für das Innenministerium nicht möglich ist, konkrete Sachverhalte zu benennen, wird entsprechend einer Verschwörungstheorie unterstellt, dass die vielen gutgläubigen Mitglieder der VVN und deren gutgläubige Bündnispartner den wahren extremistischen Charakter der VVN nicht „erkennen“, ihn in „Kauf nehmen“ oder ihn „bagatellisieren“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) würden.
Wahrheitswidrig: „kommunistisch orientierter Antifaschismus“
Der VVN wird wahrheitswidrig unterstellt, sie orientiere sich an der „kommunistischen Dimitroff-Theorie“, wonach die „Ursache für Faschismus zwangsläufig im Kapitalismus und in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zu suchen“ (Schreiben des Staatssekretärs Weiß) sei. Abgesehen von der recht vereinfachten Beschreibung dieser Theorie: Die VVN-BdA hat immer Wert darauf gelegt, keine bestimmte Auffassung über Ursachen von Faschismus und Nationalsozialismus zu vertreten oder verbindlich vorzuschreiben. Warum nimmt das Innenministerium die weltanschauliche Breite der VVN-BdA nicht zur Kenntnis? Warum missachtet es die Passage einer Entschließung der Landeskonferenz der VVN Bayern 2008, in der es heißt:
„Die geschichtlichen Erfahrungen ernst nehmen – Zusammenarbeit gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit fördern
Vor über 60 Jahren gründeten auch in Bayern ehemalige NS-Verfolgte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Grundlage der VVN war ein Konsens, der entstanden ist aus dem früheren Gegeneinander und den nachfolgenden leidvollen Erfahrungen von Nazigegnern verschiedenster politischer Positionen: Nur gemeinsam, ohne jede Ausgrenzung, ohne jeden Wahrheitsanspruch, ohne jede Instrumentalisierung für eine weltanschauliche Zielsetzung können antifaschistische Kräfte so stark werden, den Faschismus zu verhindern. Weil letztlich weite Teile der Gesellschaft vom Faschismus betroffen sind, müssen weite Teile der Gesellschaft einbezogen werden. Inhaltlich zeigen Zukunftsprogramme des Widerstandes, das Potsdamer Abkommen, Verlautbarungen der ersten VVN-Gruppen, das Grundgesetz und insbesondere die Bayerische Verfassung die Breite jenes „antifaschistischen Konsens“: Er war weder antikapitalistisch noch antisozialistisch, sondern hatte eine Gesellschaft zum Ziel, in der demokratische Freiheiten und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen gewährleistet, wirtschaftliche Machtkonzentration verhindert, konsequente Friedenspolitik gesichert und jegliche faschistische Propaganda und Aktivität ausgeschaltet sein sollten.“
Aufgrund dieses Selbstverständnisses gibt es in der VVN deshalb bis heute ein breites Spektrum an Anschauungen über Ursachen des Faschismus, darunter eben auch die Auffassung von einem engen Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus. Im Übrigen bleibt völlig unverständlich, wieso letztere Deutung des Faschismus verfassungsfeindlich sein soll; auch erste Erklärungen der CSU im Nachkriegsbayern oder auch manche Bestimmungen der Bayerischen Verfassung haben in diesem Verständnis ihre Wurzeln. Verwiesen sei hier nur auf den Bericht des NS-Verfolgten und späteren bayerischen Ministers Alois Schlögl, CSU, im vorbereitenden Verfassungsausschuss zum Kapitel Wirtschaft am 13.9.1946, wo er u.a. ausführte: „In den zwölf Jahren feierte der Privatkapitalismus wahre Triumphe. Er kam durch Kapitalisten im wahrsten Sinne des Wortes zur Macht“. Ist es verfassungsfeindlich, wenn neben vielen anderen Auffassungen in der VVN heute auch solche Positionen vertreten werden?
Wahrheitswidrig: Antidemokratische Ziele
Bemerkenswert ist, dass in den o.g. Schreiben und überwiegend auch im bayerischen Verfassungsschutzbericht nicht Aktivitäten des Landesverbandes Bayern der VVN, sondern einzelne Äußerungen des Bundesvorsitzenden oder eines der Bundessprecher als „Belege“ benützt werden (die freilich den Bundesbehörden keinen Anlass geben, die VVN als verfassungsfeindlich zu bezeichnen). Statt solche kritischen Äußerungen auf Bundesebene (Kritik am Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, Kritik an Einschränkungen von Bürgerrechten, Kritik an mangelndem staatlichen Vorgehen gegen Rechtsextremismus, Warnung vor zunehmender Militarisierung und Kritik am Bundeswehreinsatz im Inneren und im Ausland) als Teil demokratisch legitimer Kritik zu werten, sieht das Bayerische Innenministerium hierin bereits Hinweise auf verfassungsfeindliche Positionen.
Der VVN wird damit vorgehalten, sie kämpfe nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern letztlich vor allem auch gegen die „parlamentarische Demokratie“, die als „potenziell faschistisch“ betrachtet werde und „die es zu bekämpfen“ gelte (Verfassungsschutzbericht 2009, S. 184). Belege für diese Behauptung werden natürlich nicht erbracht. Sie wären auch schwer zu liefern, da die VVN nirgends den demokratischen Staat an sich bekämpft, sondern lediglich immer wieder eindringlich davor warnt, wenn in Politik und Verwaltung nicht genügend konsequent gegen den Rechtsradikalismus vorgegangen wird. Solche Kritik erachten wir als demokratische Pflicht und hat mit „Bekämpfung des Staats“ nichts zu tun; verwiesen sei hier nur auf die wiederholte notwendige Kritik etwa des Zentralrats der Juden in Deutschland an mangelndem staatlichen Handeln gegenüber antisemitischen Tendenzen. Es ist mehr als bedenklich hinsichtlich des Verständnisses von Demokratie, wenn das Bayerische Innenministerium Kritik an einzelnen politischen Maßnahmen der Exekutive als „diffamierende Beschreibung der Verfassungswirklichkeit“ erachtet und daraus „ein grundsätzliches Infragestellen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) konstruiert.
Wahrheitswidrig: Maßgeblicher Einfluss von Linksextremisten
Ohne Belege, einfach unterstellt wird der bayerischen VVN auch im Verfassungsschutzbericht 2009 (S. 184), dass in der Bayerischen VVN-BdA „der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, maßgeblich“ sei und zur Partei DIE LINKE …ebenfalls Kontakte … bestehen“. Diese Einschätzung geht an der Wirklichkeit vorbei und übernimmt einfach alte Behauptungen. Dass der Großteil der bayerischen VVN-Mitglieder wohl überhaupt nicht parteipolitisch organisiert ist, dass sich auf allen Ebenen in Vorständen Unorganisierte und auch Mitglieder der verschiedensten Parteien finden, wird im Verfassungsschutzbericht einfach unterschlagen. Dass es unter Mitgliedern und Funktionären der VVN auch Angehörige der DKP und der Partei „Die Linke“ gibt, ist selbstverständlich für eine Organisation, die ja bewusst Menschen aus allen weltanschaulichen Lagern ansprechen will, um ungeachtet von Parteizugehörigkeit gemeinsam gegen den Rechtsextremismus zu wirken. Deshalb gibt es in der bayerischen VVN-BdA bei der Aufnahme von Mitgliedern auch keine Frage nach der Parteizugehörigkeit; sie kann und darf für eine antifaschistische Organisation keine Rolle spielen. Dass die VVN-BdA Kontakte zu allen demokratischen Parteien pflegt, ist für eine politische Organisation ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen: Natürlich fanden sich auch in der bayerischen VVN bei der Gründung bereits viele Kommunistinnen und Kommunisten. Dies hatte seine Ursache aber nicht in irgendwelchen „Infiltrationsversuchen“, sondern im Umstand, dass die Kommunisten in der NS-Zeit besonderer Verfolgung ausgesetzt waren. Die Häftlingskartei in der KZ-Gedenkstätte Dachau zeigt dies nachdrücklich.
Wahrheitswidrig: Fehlende Distanzierung von Gewalt
Als Schwerpunkte der Arbeit der bayerischen VVN werden im Verfassungsschutzbericht das Bemühen um ein NPD-Verbot und das Wirken gegen Antisemitismus, Rassismus und Sozialabbau bezeichnet. Was an diesen Schwerpunkten, die kirchliche oder gewerkschaftliche Kreise ebenso setzen, verfassungsfeindlich sein soll, bleibt unklar.
Da der VVN Bayern keinerlei „Gewaltbereitschaft“ – als wichtiges Kriterium des Extremismusvorwurfs – zuzuschreiben ist, konstruiert der Verfassungsschutzbericht 2009 die „Unterstützung von Protesten … bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 185).. Als Beispiel für „die breite Bündnisarbeit“ wird dann lediglich ein Antifaschistisches Jugendcamp erwähnt, bei dem „Jugendliche aus allen antifaschistischen Spektren“ zusammengekommen seien. Diese Methode der Begründung ist infam, weil die angebliche Nähe zur Gewaltbereitschaft behauptet, aber nirgendwo belegt wird. Stattdessen wird unterschlagen, dass zu diesem Jugendcamp in den letzten Jahren auch die beiden NS-Verfolgten Max Mannheimer, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und Träger höchster Auszeichnungen sowie Martin Löwenberg, Träger der Auszeichnung „München leuchtet“ und Landesvorstandsmitglied der bayerischen VVN, zu diesem Camp eingeladen waren und Gespräche mit den Jugendlichen führten.
Die Wirklichkeit nimmt der Verfassungsschutzbericht einfach nicht zur Kenntnis: Die VVN in Bayern wirkt in allen Bündnissen gegen Rechtsextremismus darauf hin, gewaltfrei und solidarisch zu handeln und möglichst breite Kreise zu erreichen. Es ist absurd, einer Organisation wie der VVN, deren Gründer die Gewalttaten der Nazis und die Zerstörung der Demokratie am eigenen Leib erleben mussten, die sich zeitlebens für die Festigung der Demokratie eingesetzt haben, heute Gewaltbereitschaft zu unterstellen.
Wer die Arbeit der bayerischen VVN vorurteilsfrei zur Kenntnis nimmt, wird feststellen, dass sie einen wichtigen Beitrag leistet zum bürgerschaftlichen Engagement gegen den leider wieder erstarkenden Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Dieser Beitrag ist wichtig für den Schutz von Verfassung und Demokratie. Auch das Bayerische Innenministerium sollte dies endlich würdigen.
Deshalb ist die Erwähnung der VVN-BdA durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern nicht gerechtfertigt. Wir fordern daher, die Beobachtung der VVN-BdA einzustellen und sie in den Berichten des Verfassungsschutzes nicht mehr zu erwähnen.
Stellungnahme zu den Diffamierungen der VVN-BdA Bayern durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Staatsministerium des Inneren
8. November 2010
Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009, im Schreiben des ehem. Innenstaatssekretärs Dr. Weiß vom 3.6.2009 an die Präsidentin des Bayerischen Landtags, im Schreiben des Bayerischen Staatsministers des Innern, Joachim Herrmann, vom 6.7.2009 an das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und im Schreiben des Ministerialdirigenten im Bayerischen Innenministerium, Dr. Remmele, vom 18.3.2009 an die VVN-BdA Bayern wird wiederum die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ bezeichnet und deren Erwähnung im Bayerischen Verfassungsschutzbericht gerechtfertigt.Diese Einschätzung ist eine Diffamierung der VVN-BdA und missachtet völlig Ziele und Wirken der VVN-BdA. Diese Einschätzung gibt es nur in Bayern und Baden-Württemberg; im Bund und in allen sonstigen Bundesländern wird die VVN nicht in den Verfassungsschutzberichten erwähnt.
Es ist ein Skandal, dass in Bayern nach wie vor eine Organisation, in der sich Menschen für Demokratie und Frieden engagieren, derart diskriminiert wird. Die Etikettierung der VVN als „linksextremistisch“ ist vor allem auch eine persönliche Diffamierung der älteren Mitglieder der VVN, die unter dem Naziterror in Konzentrationslagern leiden mussten: Diejenigen, die sich damals den Nazis entgegenstellten und noch heute in hohem Alter die Jugend aufklären möchten, werden letztlich als „Extremisten“ auf die gleiche Stufe wie die Neonazis gestellt. Besonders bezeichnend ist die Formulierung im Verfassungsschutzbericht 2009: „Öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der Organisation darüber hinaus [neben dem Engagement für ein NPD-Verbot, d.V.] einen demokratischen Anstrich verleihen“ (S. 184). Mit diesem Satz werden ehemalige Häftlinge entweder als gutgläubige, von finsteren VVN-Mächten instrumentalisierte Opfer hingestellt – oder deren Engagement gegen alte und neue Nazis wird als rein taktisches Manöver gewertet. Beides ist gleichermaßen empörend.
Seit Jahren werden keinerlei stichhaltige Belege für die Diffamierung der VVN vorgebracht; dem Landesamt genügt auch diesmal wieder die bloße Behauptung, dass bei der bayerischen VVN der „Einfluss von Linksextremisten“ maßgeblich sei; außerdem reiche die Bündnisarbeit der VVN „bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 184; immerhin: Im Bericht 2008 reichte der Einfluss noch „weit“ hinein!).
Leider wird an keiner Stelle der Erklärungen des Innenministeriums oder des Landesamtes für Verfassungsschutz die wirkliche Arbeit der bayerischen VVN zur Kenntnis genommen, die sich seit vielen Jahren aktiv gegen Rechtsextremismus engagiert und möglichst breite Bevölkerungskreise zu einem demokratischen, friedlichen Engagement bewegen will. Im Bund und in fast allen Bundesländern wird deshalb die VVN-BdA in den Verfassungsschutzberichten nicht erwähnt. So erscheint der bayerische „Sonderweg“ in Sachen VVN absurd und anachronistisch angesichts der Tatsachen, dass beispielsweise
der Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA, Esther Bejarano, Mitglied im sog. „Mädchenorchester Auschwitz“, vor zwei Jahren vom Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde unter ausdrücklicher Anerkennung ihrer Arbeit in der VVN; dem langjährigen Mitglied des Landevorstand der VVN-Bayern, der NS-Verfolgten und Augsburger Ehrenbürgerin Anni Pröll, vor einigen Jahren vom ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ebenfalls das Bundesverdienstkreuz überreicht wurde; der Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl (CSU) sich Anfang März 2009 bei der Augsburger VVN „sehr herzlich“ bedankt hat für die Teilnahme am Aktionstag gegen Neonazis: „Sie haben mit Ihrer engagierten Aktion (…) ein gutes Stück dazu mitgeholfen, den Ruf Augsburgs als Ort der Demokratie (…) zu festigen“; an verstorbene Mitglieder der bayerischen VVN in verschiedenen Städten mit Straßennamen erinnert wird; die NS-Verfolgten Ernst Grube und Martin Löwenberg mit Auszeichnungen wie „München leuchtet“ von der Stadt München geehrt wurden und Ernst Grube in verschiedenen Gremien seit Jahren auch mit Vertretern der Bayerischen Staatsregierung wirkt; im „Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus“ Partner wie der DGB, die Katholische Arbeitnehmerbewegung, das Erzbistum Bamberg, die Evangelische Kirche, die Israelitische Kultusgemeinde oder der Stadtjugendring gemeinsam mit der Bamberger VVN arbeiten; die VVN an vielen Orten in Bayern ein geschätzter und zuverlässiger Partner von Kommunen und Organisationen ist, wenn es darum geht, das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus wach zu halten und dem Wiederaufleben von Rassismus, Antisemitismus und rechtsextremer Ideologie entgegenzutreten.
Die von der bayerischen Regierung vorgebrachten Gründe für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der VVN-BdA erweisen sich nicht als Tatsachen, sondern als bloße Vermutungen ohne Begründung. Da es für das Innenministerium nicht möglich ist, konkrete Sachverhalte zu benennen, wird entsprechend einer Verschwörungstheorie unterstellt, dass die vielen gutgläubigen Mitglieder der VVN und deren gutgläubige Bündnispartner den wahren extremistischen Charakter der VVN nicht „erkennen“, ihn in „Kauf nehmen“ oder ihn „bagatellisieren“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) würden.
Wahrheitswidrig: „kommunistisch orientierter Antifaschismus“
Der VVN wird wahrheitswidrig unterstellt, sie orientiere sich an der „kommunistischen Dimitroff-Theorie“, wonach die „Ursache für Faschismus zwangsläufig im Kapitalismus und in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zu suchen“ (Schreiben des Staatssekretärs Weiß) sei. Abgesehen von der recht vereinfachten Beschreibung dieser Theorie: Die VVN-BdA hat immer Wert darauf gelegt, keine bestimmte Auffassung über Ursachen von Faschismus und Nationalsozialismus zu vertreten oder verbindlich vorzuschreiben. Warum nimmt das Innenministerium die weltanschauliche Breite der VVN-BdA nicht zur Kenntnis? Warum missachtet es die Passage einer Entschließung der Landeskonferenz der VVN Bayern 2008, in der es heißt:
„Die geschichtlichen Erfahrungen ernst nehmen – Zusammenarbeit gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit fördern
Vor über 60 Jahren gründeten auch in Bayern ehemalige NS-Verfolgte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Grundlage der VVN war ein Konsens, der entstanden ist aus dem früheren Gegeneinander und den nachfolgenden leidvollen Erfahrungen von Nazigegnern verschiedenster politischer Positionen: Nur gemeinsam, ohne jede Ausgrenzung, ohne jeden Wahrheitsanspruch, ohne jede Instrumentalisierung für eine weltanschauliche Zielsetzung können antifaschistische Kräfte so stark werden, den Faschismus zu verhindern. Weil letztlich weite Teile der Gesellschaft vom Faschismus betroffen sind, müssen weite Teile der Gesellschaft einbezogen werden. Inhaltlich zeigen Zukunftsprogramme des Widerstandes, das Potsdamer Abkommen, Verlautbarungen der ersten VVN-Gruppen, das Grundgesetz und insbesondere die Bayerische Verfassung die Breite jenes „antifaschistischen Konsens“: Er war weder antikapitalistisch noch antisozialistisch, sondern hatte eine Gesellschaft zum Ziel, in der demokratische Freiheiten und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen gewährleistet, wirtschaftliche Machtkonzentration verhindert, konsequente Friedenspolitik gesichert und jegliche faschistische Propaganda und Aktivität ausgeschaltet sein sollten.“
Aufgrund dieses Selbstverständnisses gibt es in der VVN deshalb bis heute ein breites Spektrum an Anschauungen über Ursachen des Faschismus, darunter eben auch die Auffassung von einem engen Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus. Im Übrigen bleibt völlig unverständlich, wieso letztere Deutung des Faschismus verfassungsfeindlich sein soll; auch erste Erklärungen der CSU im Nachkriegsbayern oder auch manche Bestimmungen der Bayerischen Verfassung haben in diesem Verständnis ihre Wurzeln. Verwiesen sei hier nur auf den Bericht des NS-Verfolgten und späteren bayerischen Ministers Alois Schlögl, CSU, im vorbereitenden Verfassungsausschuss zum Kapitel Wirtschaft am 13.9.1946, wo er u.a. ausführte: „In den zwölf Jahren feierte der Privatkapitalismus wahre Triumphe. Er kam durch Kapitalisten im wahrsten Sinne des Wortes zur Macht“. Ist es verfassungsfeindlich, wenn neben vielen anderen Auffassungen in der VVN heute auch solche Positionen vertreten werden?
Wahrheitswidrig: Antidemokratische Ziele
Bemerkenswert ist, dass in den o.g. Schreiben und überwiegend auch im bayerischen Verfassungsschutzbericht nicht Aktivitäten des Landesverbandes Bayern der VVN, sondern einzelne Äußerungen des Bundesvorsitzenden oder eines der Bundessprecher als „Belege“ benützt werden (die freilich den Bundesbehörden keinen Anlass geben, die VVN als verfassungsfeindlich zu bezeichnen). Statt solche kritischen Äußerungen auf Bundesebene (Kritik am Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, Kritik an Einschränkungen von Bürgerrechten, Kritik an mangelndem staatlichen Vorgehen gegen Rechtsextremismus, Warnung vor zunehmender Militarisierung und Kritik am Bundeswehreinsatz im Inneren und im Ausland) als Teil demokratisch legitimer Kritik zu werten, sieht das Bayerische Innenministerium hierin bereits Hinweise auf verfassungsfeindliche Positionen.
Der VVN wird damit vorgehalten, sie kämpfe nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern letztlich vor allem auch gegen die „parlamentarische Demokratie“, die als „potenziell faschistisch“ betrachtet werde und „die es zu bekämpfen“ gelte (Verfassungsschutzbericht 2009, S. 184). Belege für diese Behauptung werden natürlich nicht erbracht. Sie wären auch schwer zu liefern, da die VVN nirgends den demokratischen Staat an sich bekämpft, sondern lediglich immer wieder eindringlich davor warnt, wenn in Politik und Verwaltung nicht genügend konsequent gegen den Rechtsradikalismus vorgegangen wird. Solche Kritik erachten wir als demokratische Pflicht und hat mit „Bekämpfung des Staats“ nichts zu tun; verwiesen sei hier nur auf die wiederholte notwendige Kritik etwa des Zentralrats der Juden in Deutschland an mangelndem staatlichen Handeln gegenüber antisemitischen Tendenzen. Es ist mehr als bedenklich hinsichtlich des Verständnisses von Demokratie, wenn das Bayerische Innenministerium Kritik an einzelnen politischen Maßnahmen der Exekutive als „diffamierende Beschreibung der Verfassungswirklichkeit“ erachtet und daraus „ein grundsätzliches Infragestellen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) konstruiert.
Wahrheitswidrig: Maßgeblicher Einfluss von Linksextremisten
Ohne Belege, einfach unterstellt wird der bayerischen VVN auch im Verfassungsschutzbericht 2009 (S. 184), dass in der Bayerischen VVN-BdA „der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, maßgeblich“ sei und zur Partei DIE LINKE …ebenfalls Kontakte … bestehen“. Diese Einschätzung geht an der Wirklichkeit vorbei und übernimmt einfach alte Behauptungen. Dass der Großteil der bayerischen VVN-Mitglieder wohl überhaupt nicht parteipolitisch organisiert ist, dass sich auf allen Ebenen in Vorständen Unorganisierte und auch Mitglieder der verschiedensten Parteien finden, wird im Verfassungsschutzbericht einfach unterschlagen. Dass es unter Mitgliedern und Funktionären der VVN auch Angehörige der DKP und der Partei „Die Linke“ gibt, ist selbstverständlich für eine Organisation, die ja bewusst Menschen aus allen weltanschaulichen Lagern ansprechen will, um ungeachtet von Parteizugehörigkeit gemeinsam gegen den Rechtsextremismus zu wirken. Deshalb gibt es in der bayerischen VVN-BdA bei der Aufnahme von Mitgliedern auch keine Frage nach der Parteizugehörigkeit; sie kann und darf für eine antifaschistische Organisation keine Rolle spielen. Dass die VVN-BdA Kontakte zu allen demokratischen Parteien pflegt, ist für eine politische Organisation ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen: Natürlich fanden sich auch in der bayerischen VVN bei der Gründung bereits viele Kommunistinnen und Kommunisten. Dies hatte seine Ursache aber nicht in irgendwelchen „Infiltrationsversuchen“, sondern im Umstand, dass die Kommunisten in der NS-Zeit besonderer Verfolgung ausgesetzt waren. Die Häftlingskartei in der KZ-Gedenkstätte Dachau zeigt dies nachdrücklich.
Wahrheitswidrig: Fehlende Distanzierung von Gewalt
Als Schwerpunkte der Arbeit der bayerischen VVN werden im Verfassungsschutzbericht das Bemühen um ein NPD-Verbot und das Wirken gegen Antisemitismus, Rassismus und Sozialabbau bezeichnet. Was an diesen Schwerpunkten, die kirchliche oder gewerkschaftliche Kreise ebenso setzen, verfassungsfeindlich sein soll, bleibt unklar.
Da der VVN Bayern keinerlei „Gewaltbereitschaft“ – als wichtiges Kriterium des Extremismusvorwurfs – zuzuschreiben ist, konstruiert der Verfassungsschutzbericht 2009 die „Unterstützung von Protesten … bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 185).. Als Beispiel für „die breite Bündnisarbeit“ wird dann lediglich ein Antifaschistisches Jugendcamp erwähnt, bei dem „Jugendliche aus allen antifaschistischen Spektren“ zusammengekommen seien. Diese Methode der Begründung ist infam, weil die angebliche Nähe zur Gewaltbereitschaft behauptet, aber nirgendwo belegt wird. Stattdessen wird unterschlagen, dass zu diesem Jugendcamp in den letzten Jahren auch die beiden NS-Verfolgten Max Mannheimer, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und Träger höchster Auszeichnungen sowie Martin Löwenberg, Träger der Auszeichnung „München leuchtet“ und Landesvorstandsmitglied der bayerischen VVN, zu diesem Camp eingeladen waren und Gespräche mit den Jugendlichen führten.
Die Wirklichkeit nimmt der Verfassungsschutzbericht einfach nicht zur Kenntnis: Die VVN in Bayern wirkt in allen Bündnissen gegen Rechtsextremismus darauf hin, gewaltfrei und solidarisch zu handeln und möglichst breite Kreise zu erreichen. Es ist absurd, einer Organisation wie der VVN, deren Gründer die Gewalttaten der Nazis und die Zerstörung der Demokratie am eigenen Leib erleben mussten, die sich zeitlebens für die Festigung der Demokratie eingesetzt haben, heute Gewaltbereitschaft zu unterstellen.
Wer die Arbeit der bayerischen VVN vorurteilsfrei zur Kenntnis nimmt, wird feststellen, dass sie einen wichtigen Beitrag leistet zum bürgerschaftlichen Engagement gegen den leider wieder erstarkenden Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Dieser Beitrag ist wichtig für den Schutz von Verfassung und Demokratie. Auch das Bayerische Innenministerium sollte dies endlich würdigen.
Deshalb ist die Erwähnung der VVN-BdA durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern nicht gerechtfertigt. Wir fordern daher, die Beobachtung der VVN-BdA einzustellen und sie in den Berichten des Verfassungsschutzes nicht mehr zu erwähnen.
Stellungnahme zu den Diffamierungen der VVN-BdA Bayern durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Staatsministerium des Inneren
8. November 2010
Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009, im Schreiben des ehem. Innenstaatssekretärs Dr. Weiß vom 3.6.2009 an die Präsidentin des Bayerischen Landtags, im Schreiben des Bayerischen Staatsministers des Innern, Joachim Herrmann, vom 6.7.2009 an das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und im Schreiben des Ministerialdirigenten im Bayerischen Innenministerium, Dr. Remmele, vom 18.3.2009 an die VVN-BdA Bayern wird wiederum die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ bezeichnet und deren Erwähnung im Bayerischen Verfassungsschutzbericht gerechtfertigt.Diese Einschätzung ist eine Diffamierung der VVN-BdA und missachtet völlig Ziele und Wirken der VVN-BdA. Diese Einschätzung gibt es nur in Bayern und Baden-Württemberg; im Bund und in allen sonstigen Bundesländern wird die VVN nicht in den Verfassungsschutzberichten erwähnt.
Es ist ein Skandal, dass in Bayern nach wie vor eine Organisation, in der sich Menschen für Demokratie und Frieden engagieren, derart diskriminiert wird. Die Etikettierung der VVN als „linksextremistisch“ ist vor allem auch eine persönliche Diffamierung der älteren Mitglieder der VVN, die unter dem Naziterror in Konzentrationslagern leiden mussten: Diejenigen, die sich damals den Nazis entgegenstellten und noch heute in hohem Alter die Jugend aufklären möchten, werden letztlich als „Extremisten“ auf die gleiche Stufe wie die Neonazis gestellt. Besonders bezeichnend ist die Formulierung im Verfassungsschutzbericht 2009: „Öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der Organisation darüber hinaus [neben dem Engagement für ein NPD-Verbot, d.V.] einen demokratischen Anstrich verleihen“ (S. 184). Mit diesem Satz werden ehemalige Häftlinge entweder als gutgläubige, von finsteren VVN-Mächten instrumentalisierte Opfer hingestellt – oder deren Engagement gegen alte und neue Nazis wird als rein taktisches Manöver gewertet. Beides ist gleichermaßen empörend.
Seit Jahren werden keinerlei stichhaltige Belege für die Diffamierung der VVN vorgebracht; dem Landesamt genügt auch diesmal wieder die bloße Behauptung, dass bei der bayerischen VVN der „Einfluss von Linksextremisten“ maßgeblich sei; außerdem reiche die Bündnisarbeit der VVN „bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 184; immerhin: Im Bericht 2008 reichte der Einfluss noch „weit“ hinein!).
Leider wird an keiner Stelle der Erklärungen des Innenministeriums oder des Landesamtes für Verfassungsschutz die wirkliche Arbeit der bayerischen VVN zur Kenntnis genommen, die sich seit vielen Jahren aktiv gegen Rechtsextremismus engagiert und möglichst breite Bevölkerungskreise zu einem demokratischen, friedlichen Engagement bewegen will. Im Bund und in fast allen Bundesländern wird deshalb die VVN-BdA in den Verfassungsschutzberichten nicht erwähnt. So erscheint der bayerische „Sonderweg“ in Sachen VVN absurd und anachronistisch angesichts der Tatsachen, dass beispielsweise
der Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA, Esther Bejarano, Mitglied im sog. „Mädchenorchester Auschwitz“, vor zwei Jahren vom Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde unter ausdrücklicher Anerkennung ihrer Arbeit in der VVN; dem langjährigen Mitglied des Landevorstand der VVN-Bayern, der NS-Verfolgten und Augsburger Ehrenbürgerin Anni Pröll, vor einigen Jahren vom ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ebenfalls das Bundesverdienstkreuz überreicht wurde; der Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl (CSU) sich Anfang März 2009 bei der Augsburger VVN „sehr herzlich“ bedankt hat für die Teilnahme am Aktionstag gegen Neonazis: „Sie haben mit Ihrer engagierten Aktion (…) ein gutes Stück dazu mitgeholfen, den Ruf Augsburgs als Ort der Demokratie (…) zu festigen“; an verstorbene Mitglieder der bayerischen VVN in verschiedenen Städten mit Straßennamen erinnert wird; die NS-Verfolgten Ernst Grube und Martin Löwenberg mit Auszeichnungen wie „München leuchtet“ von der Stadt München geehrt wurden und Ernst Grube in verschiedenen Gremien seit Jahren auch mit Vertretern der Bayerischen Staatsregierung wirkt; im „Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus“ Partner wie der DGB, die Katholische Arbeitnehmerbewegung, das Erzbistum Bamberg, die Evangelische Kirche, die Israelitische Kultusgemeinde oder der Stadtjugendring gemeinsam mit der Bamberger VVN arbeiten; die VVN an vielen Orten in Bayern ein geschätzter und zuverlässiger Partner von Kommunen und Organisationen ist, wenn es darum geht, das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus wach zu halten und dem Wiederaufleben von Rassismus, Antisemitismus und rechtsextremer Ideologie entgegenzutreten.
Die von der bayerischen Regierung vorgebrachten Gründe für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der VVN-BdA erweisen sich nicht als Tatsachen, sondern als bloße Vermutungen ohne Begründung. Da es für das Innenministerium nicht möglich ist, konkrete Sachverhalte zu benennen, wird entsprechend einer Verschwörungstheorie unterstellt, dass die vielen gutgläubigen Mitglieder der VVN und deren gutgläubige Bündnispartner den wahren extremistischen Charakter der VVN nicht „erkennen“, ihn in „Kauf nehmen“ oder ihn „bagatellisieren“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) würden.
Wahrheitswidrig: „kommunistisch orientierter Antifaschismus“
Der VVN wird wahrheitswidrig unterstellt, sie orientiere sich an der „kommunistischen Dimitroff-Theorie“, wonach die „Ursache für Faschismus zwangsläufig im Kapitalismus und in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zu suchen“ (Schreiben des Staatssekretärs Weiß) sei. Abgesehen von der recht vereinfachten Beschreibung dieser Theorie: Die VVN-BdA hat immer Wert darauf gelegt, keine bestimmte Auffassung über Ursachen von Faschismus und Nationalsozialismus zu vertreten oder verbindlich vorzuschreiben. Warum nimmt das Innenministerium die weltanschauliche Breite der VVN-BdA nicht zur Kenntnis? Warum missachtet es die Passage einer Entschließung der Landeskonferenz der VVN Bayern 2008, in der es heißt:
„Die geschichtlichen Erfahrungen ernst nehmen – Zusammenarbeit gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit fördern
Vor über 60 Jahren gründeten auch in Bayern ehemalige NS-Verfolgte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Grundlage der VVN war ein Konsens, der entstanden ist aus dem früheren Gegeneinander und den nachfolgenden leidvollen Erfahrungen von Nazigegnern verschiedenster politischer Positionen: Nur gemeinsam, ohne jede Ausgrenzung, ohne jeden Wahrheitsanspruch, ohne jede Instrumentalisierung für eine weltanschauliche Zielsetzung können antifaschistische Kräfte so stark werden, den Faschismus zu verhindern. Weil letztlich weite Teile der Gesellschaft vom Faschismus betroffen sind, müssen weite Teile der Gesellschaft einbezogen werden. Inhaltlich zeigen Zukunftsprogramme des Widerstandes, das Potsdamer Abkommen, Verlautbarungen der ersten VVN-Gruppen, das Grundgesetz und insbesondere die Bayerische Verfassung die Breite jenes „antifaschistischen Konsens“: Er war weder antikapitalistisch noch antisozialistisch, sondern hatte eine Gesellschaft zum Ziel, in der demokratische Freiheiten und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen gewährleistet, wirtschaftliche Machtkonzentration verhindert, konsequente Friedenspolitik gesichert und jegliche faschistische Propaganda und Aktivität ausgeschaltet sein sollten.“
Aufgrund dieses Selbstverständnisses gibt es in der VVN deshalb bis heute ein breites Spektrum an Anschauungen über Ursachen des Faschismus, darunter eben auch die Auffassung von einem engen Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus. Im Übrigen bleibt völlig unverständlich, wieso letztere Deutung des Faschismus verfassungsfeindlich sein soll; auch erste Erklärungen der CSU im Nachkriegsbayern oder auch manche Bestimmungen der Bayerischen Verfassung haben in diesem Verständnis ihre Wurzeln. Verwiesen sei hier nur auf den Bericht des NS-Verfolgten und späteren bayerischen Ministers Alois Schlögl, CSU, im vorbereitenden Verfassungsausschuss zum Kapitel Wirtschaft am 13.9.1946, wo er u.a. ausführte: „In den zwölf Jahren feierte der Privatkapitalismus wahre Triumphe. Er kam durch Kapitalisten im wahrsten Sinne des Wortes zur Macht“. Ist es verfassungsfeindlich, wenn neben vielen anderen Auffassungen in der VVN heute auch solche Positionen vertreten werden?
Wahrheitswidrig: Antidemokratische Ziele
Bemerkenswert ist, dass in den o.g. Schreiben und überwiegend auch im bayerischen Verfassungsschutzbericht nicht Aktivitäten des Landesverbandes Bayern der VVN, sondern einzelne Äußerungen des Bundesvorsitzenden oder eines der Bundessprecher als „Belege“ benützt werden (die freilich den Bundesbehörden keinen Anlass geben, die VVN als verfassungsfeindlich zu bezeichnen). Statt solche kritischen Äußerungen auf Bundesebene (Kritik am Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, Kritik an Einschränkungen von Bürgerrechten, Kritik an mangelndem staatlichen Vorgehen gegen Rechtsextremismus, Warnung vor zunehmender Militarisierung und Kritik am Bundeswehreinsatz im Inneren und im Ausland) als Teil demokratisch legitimer Kritik zu werten, sieht das Bayerische Innenministerium hierin bereits Hinweise auf verfassungsfeindliche Positionen.
Der VVN wird damit vorgehalten, sie kämpfe nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern letztlich vor allem auch gegen die „parlamentarische Demokratie“, die als „potenziell faschistisch“ betrachtet werde und „die es zu bekämpfen“ gelte (Verfassungsschutzbericht 2009, S. 184). Belege für diese Behauptung werden natürlich nicht erbracht. Sie wären auch schwer zu liefern, da die VVN nirgends den demokratischen Staat an sich bekämpft, sondern lediglich immer wieder eindringlich davor warnt, wenn in Politik und Verwaltung nicht genügend konsequent gegen den Rechtsradikalismus vorgegangen wird. Solche Kritik erachten wir als demokratische Pflicht und hat mit „Bekämpfung des Staats“ nichts zu tun; verwiesen sei hier nur auf die wiederholte notwendige Kritik etwa des Zentralrats der Juden in Deutschland an mangelndem staatlichen Handeln gegenüber antisemitischen Tendenzen. Es ist mehr als bedenklich hinsichtlich des Verständnisses von Demokratie, wenn das Bayerische Innenministerium Kritik an einzelnen politischen Maßnahmen der Exekutive als „diffamierende Beschreibung der Verfassungswirklichkeit“ erachtet und daraus „ein grundsätzliches Infragestellen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) konstruiert.
Wahrheitswidrig: Maßgeblicher Einfluss von Linksextremisten
Ohne Belege, einfach unterstellt wird der bayerischen VVN auch im Verfassungsschutzbericht 2009 (S. 184), dass in der Bayerischen VVN-BdA „der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, maßgeblich“ sei und zur Partei DIE LINKE …ebenfalls Kontakte … bestehen“. Diese Einschätzung geht an der Wirklichkeit vorbei und übernimmt einfach alte Behauptungen. Dass der Großteil der bayerischen VVN-Mitglieder wohl überhaupt nicht parteipolitisch organisiert ist, dass sich auf allen Ebenen in Vorständen Unorganisierte und auch Mitglieder der verschiedensten Parteien finden, wird im Verfassungsschutzbericht einfach unterschlagen. Dass es unter Mitgliedern und Funktionären der VVN auch Angehörige der DKP und der Partei „Die Linke“ gibt, ist selbstverständlich für eine Organisation, die ja bewusst Menschen aus allen weltanschaulichen Lagern ansprechen will, um ungeachtet von Parteizugehörigkeit gemeinsam gegen den Rechtsextremismus zu wirken. Deshalb gibt es in der bayerischen VVN-BdA bei der Aufnahme von Mitgliedern auch keine Frage nach der Parteizugehörigkeit; sie kann und darf für eine antifaschistische Organisation keine Rolle spielen. Dass die VVN-BdA Kontakte zu allen demokratischen Parteien pflegt, ist für eine politische Organisation ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen: Natürlich fanden sich auch in der bayerischen VVN bei der Gründung bereits viele Kommunistinnen und Kommunisten. Dies hatte seine Ursache aber nicht in irgendwelchen „Infiltrationsversuchen“, sondern im Umstand, dass die Kommunisten in der NS-Zeit besonderer Verfolgung ausgesetzt waren. Die Häftlingskartei in der KZ-Gedenkstätte Dachau zeigt dies nachdrücklich.
Wahrheitswidrig: Fehlende Distanzierung von Gewalt
Als Schwerpunkte der Arbeit der bayerischen VVN werden im Verfassungsschutzbericht das Bemühen um ein NPD-Verbot und das Wirken gegen Antisemitismus, Rassismus und Sozialabbau bezeichnet. Was an diesen Schwerpunkten, die kirchliche oder gewerkschaftliche Kreise ebenso setzen, verfassungsfeindlich sein soll, bleibt unklar.
Da der VVN Bayern keinerlei „Gewaltbereitschaft“ – als wichtiges Kriterium des Extremismusvorwurfs – zuzuschreiben ist, konstruiert der Verfassungsschutzbericht 2009 die „Unterstützung von Protesten … bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 185).. Als Beispiel für „die breite Bündnisarbeit“ wird dann lediglich ein Antifaschistisches Jugendcamp erwähnt, bei dem „Jugendliche aus allen antifaschistischen Spektren“ zusammengekommen seien. Diese Methode der Begründung ist infam, weil die angebliche Nähe zur Gewaltbereitschaft behauptet, aber nirgendwo belegt wird. Stattdessen wird unterschlagen, dass zu diesem Jugendcamp in den letzten Jahren auch die beiden NS-Verfolgten Max Mannheimer, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und Träger höchster Auszeichnungen sowie Martin Löwenberg, Träger der Auszeichnung „München leuchtet“ und Landesvorstandsmitglied der bayerischen VVN, zu diesem Camp eingeladen waren und Gespräche mit den Jugendlichen führten.
Die Wirklichkeit nimmt der Verfassungsschutzbericht einfach nicht zur Kenntnis: Die VVN in Bayern wirkt in allen Bündnissen gegen Rechtsextremismus darauf hin, gewaltfrei und solidarisch zu handeln und möglichst breite Kreise zu erreichen. Es ist absurd, einer Organisation wie der VVN, deren Gründer die Gewalttaten der Nazis und die Zerstörung der Demokratie am eigenen Leib erleben mussten, die sich zeitlebens für die Festigung der Demokratie eingesetzt haben, heute Gewaltbereitschaft zu unterstellen.
Wer die Arbeit der bayerischen VVN vorurteilsfrei zur Kenntnis nimmt, wird feststellen, dass sie einen wichtigen Beitrag leistet zum bürgerschaftlichen Engagement gegen den leider wieder erstarkenden Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Dieser Beitrag ist wichtig für den Schutz von Verfassung und Demokratie. Auch das Bayerische Innenministerium sollte dies endlich würdigen.
Deshalb ist die Erwähnung der VVN-BdA durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern nicht gerechtfertigt. Wir fordern daher, die Beobachtung der VVN-BdA einzustellen und sie in den Berichten des Verfassungsschutzes nicht mehr zu erwähnen.
Stellungnahme zu den Diffamierungen der VVN-BdA Bayern durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Staatsministerium des Inneren
8. November 2010
Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009, im Schreiben des ehem. Innenstaatssekretärs Dr. Weiß vom 3.6.2009 an die Präsidentin des Bayerischen Landtags, im Schreiben des Bayerischen Staatsministers des Innern, Joachim Herrmann, vom 6.7.2009 an das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und im Schreiben des Ministerialdirigenten im Bayerischen Innenministerium, Dr. Remmele, vom 18.3.2009 an die VVN-BdA Bayern wird wiederum die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ bezeichnet und deren Erwähnung im Bayerischen Verfassungsschutzbericht gerechtfertigt.Diese Einschätzung ist eine Diffamierung der VVN-BdA und missachtet völlig Ziele und Wirken der VVN-BdA. Diese Einschätzung gibt es nur in Bayern und Baden-Württemberg; im Bund und in allen sonstigen Bundesländern wird die VVN nicht in den Verfassungsschutzberichten erwähnt.
Es ist ein Skandal, dass in Bayern nach wie vor eine Organisation, in der sich Menschen für Demokratie und Frieden engagieren, derart diskriminiert wird. Die Etikettierung der VVN als „linksextremistisch“ ist vor allem auch eine persönliche Diffamierung der älteren Mitglieder der VVN, die unter dem Naziterror in Konzentrationslagern leiden mussten: Diejenigen, die sich damals den Nazis entgegenstellten und noch heute in hohem Alter die Jugend aufklären möchten, werden letztlich als „Extremisten“ auf die gleiche Stufe wie die Neonazis gestellt. Besonders bezeichnend ist die Formulierung im Verfassungsschutzbericht 2009: „Öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der Organisation darüber hinaus [neben dem Engagement für ein NPD-Verbot, d.V.] einen demokratischen Anstrich verleihen“ (S. 184). Mit diesem Satz werden ehemalige Häftlinge entweder als gutgläubige, von finsteren VVN-Mächten instrumentalisierte Opfer hingestellt – oder deren Engagement gegen alte und neue Nazis wird als rein taktisches Manöver gewertet. Beides ist gleichermaßen empörend.
Seit Jahren werden keinerlei stichhaltige Belege für die Diffamierung der VVN vorgebracht; dem Landesamt genügt auch diesmal wieder die bloße Behauptung, dass bei der bayerischen VVN der „Einfluss von Linksextremisten“ maßgeblich sei; außerdem reiche die Bündnisarbeit der VVN „bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 184; immerhin: Im Bericht 2008 reichte der Einfluss noch „weit“ hinein!).
Leider wird an keiner Stelle der Erklärungen des Innenministeriums oder des Landesamtes für Verfassungsschutz die wirkliche Arbeit der bayerischen VVN zur Kenntnis genommen, die sich seit vielen Jahren aktiv gegen Rechtsextremismus engagiert und möglichst breite Bevölkerungskreise zu einem demokratischen, friedlichen Engagement bewegen will. Im Bund und in fast allen Bundesländern wird deshalb die VVN-BdA in den Verfassungsschutzberichten nicht erwähnt. So erscheint der bayerische „Sonderweg“ in Sachen VVN absurd und anachronistisch angesichts der Tatsachen, dass beispielsweise
der Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA, Esther Bejarano, Mitglied im sog. „Mädchenorchester Auschwitz“, vor zwei Jahren vom Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde unter ausdrücklicher Anerkennung ihrer Arbeit in der VVN; dem langjährigen Mitglied des Landevorstand der VVN-Bayern, der NS-Verfolgten und Augsburger Ehrenbürgerin Anni Pröll, vor einigen Jahren vom ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ebenfalls das Bundesverdienstkreuz überreicht wurde; der Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl (CSU) sich Anfang März 2009 bei der Augsburger VVN „sehr herzlich“ bedankt hat für die Teilnahme am Aktionstag gegen Neonazis: „Sie haben mit Ihrer engagierten Aktion (…) ein gutes Stück dazu mitgeholfen, den Ruf Augsburgs als Ort der Demokratie (…) zu festigen“; an verstorbene Mitglieder der bayerischen VVN in verschiedenen Städten mit Straßennamen erinnert wird; die NS-Verfolgten Ernst Grube und Martin Löwenberg mit Auszeichnungen wie „München leuchtet“ von der Stadt München geehrt wurden und Ernst Grube in verschiedenen Gremien seit Jahren auch mit Vertretern der Bayerischen Staatsregierung wirkt; im „Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus“ Partner wie der DGB, die Katholische Arbeitnehmerbewegung, das Erzbistum Bamberg, die Evangelische Kirche, die Israelitische Kultusgemeinde oder der Stadtjugendring gemeinsam mit der Bamberger VVN arbeiten; die VVN an vielen Orten in Bayern ein geschätzter und zuverlässiger Partner von Kommunen und Organisationen ist, wenn es darum geht, das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus wach zu halten und dem Wiederaufleben von Rassismus, Antisemitismus und rechtsextremer Ideologie entgegenzutreten.
Die von der bayerischen Regierung vorgebrachten Gründe für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der VVN-BdA erweisen sich nicht als Tatsachen, sondern als bloße Vermutungen ohne Begründung. Da es für das Innenministerium nicht möglich ist, konkrete Sachverhalte zu benennen, wird entsprechend einer Verschwörungstheorie unterstellt, dass die vielen gutgläubigen Mitglieder der VVN und deren gutgläubige Bündnispartner den wahren extremistischen Charakter der VVN nicht „erkennen“, ihn in „Kauf nehmen“ oder ihn „bagatellisieren“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) würden.
Wahrheitswidrig: „kommunistisch orientierter Antifaschismus“
Der VVN wird wahrheitswidrig unterstellt, sie orientiere sich an der „kommunistischen Dimitroff-Theorie“, wonach die „Ursache für Faschismus zwangsläufig im Kapitalismus und in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zu suchen“ (Schreiben des Staatssekretärs Weiß) sei. Abgesehen von der recht vereinfachten Beschreibung dieser Theorie: Die VVN-BdA hat immer Wert darauf gelegt, keine bestimmte Auffassung über Ursachen von Faschismus und Nationalsozialismus zu vertreten oder verbindlich vorzuschreiben. Warum nimmt das Innenministerium die weltanschauliche Breite der VVN-BdA nicht zur Kenntnis? Warum missachtet es die Passage einer Entschließung der Landeskonferenz der VVN Bayern 2008, in der es heißt:
„Die geschichtlichen Erfahrungen ernst nehmen – Zusammenarbeit gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit fördern
Vor über 60 Jahren gründeten auch in Bayern ehemalige NS-Verfolgte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Grundlage der VVN war ein Konsens, der entstanden ist aus dem früheren Gegeneinander und den nachfolgenden leidvollen Erfahrungen von Nazigegnern verschiedenster politischer Positionen: Nur gemeinsam, ohne jede Ausgrenzung, ohne jeden Wahrheitsanspruch, ohne jede Instrumentalisierung für eine weltanschauliche Zielsetzung können antifaschistische Kräfte so stark werden, den Faschismus zu verhindern. Weil letztlich weite Teile der Gesellschaft vom Faschismus betroffen sind, müssen weite Teile der Gesellschaft einbezogen werden. Inhaltlich zeigen Zukunftsprogramme des Widerstandes, das Potsdamer Abkommen, Verlautbarungen der ersten VVN-Gruppen, das Grundgesetz und insbesondere die Bayerische Verfassung die Breite jenes „antifaschistischen Konsens“: Er war weder antikapitalistisch noch antisozialistisch, sondern hatte eine Gesellschaft zum Ziel, in der demokratische Freiheiten und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen gewährleistet, wirtschaftliche Machtkonzentration verhindert, konsequente Friedenspolitik gesichert und jegliche faschistische Propaganda und Aktivität ausgeschaltet sein sollten.“
Aufgrund dieses Selbstverständnisses gibt es in der VVN deshalb bis heute ein breites Spektrum an Anschauungen über Ursachen des Faschismus, darunter eben auch die Auffassung von einem engen Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus. Im Übrigen bleibt völlig unverständlich, wieso letztere Deutung des Faschismus verfassungsfeindlich sein soll; auch erste Erklärungen der CSU im Nachkriegsbayern oder auch manche Bestimmungen der Bayerischen Verfassung haben in diesem Verständnis ihre Wurzeln. Verwiesen sei hier nur auf den Bericht des NS-Verfolgten und späteren bayerischen Ministers Alois Schlögl, CSU, im vorbereitenden Verfassungsausschuss zum Kapitel Wirtschaft am 13.9.1946, wo er u.a. ausführte: „In den zwölf Jahren feierte der Privatkapitalismus wahre Triumphe. Er kam durch Kapitalisten im wahrsten Sinne des Wortes zur Macht“. Ist es verfassungsfeindlich, wenn neben vielen anderen Auffassungen in der VVN heute auch solche Positionen vertreten werden?
Wahrheitswidrig: Antidemokratische Ziele
Bemerkenswert ist, dass in den o.g. Schreiben und überwiegend auch im bayerischen Verfassungsschutzbericht nicht Aktivitäten des Landesverbandes Bayern der VVN, sondern einzelne Äußerungen des Bundesvorsitzenden oder eines der Bundessprecher als „Belege“ benützt werden (die freilich den Bundesbehörden keinen Anlass geben, die VVN als verfassungsfeindlich zu bezeichnen). Statt solche kritischen Äußerungen auf Bundesebene (Kritik am Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, Kritik an Einschränkungen von Bürgerrechten, Kritik an mangelndem staatlichen Vorgehen gegen Rechtsextremismus, Warnung vor zunehmender Militarisierung und Kritik am Bundeswehreinsatz im Inneren und im Ausland) als Teil demokratisch legitimer Kritik zu werten, sieht das Bayerische Innenministerium hierin bereits Hinweise auf verfassungsfeindliche Positionen.
Der VVN wird damit vorgehalten, sie kämpfe nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern letztlich vor allem auch gegen die „parlamentarische Demokratie“, die als „potenziell faschistisch“ betrachtet werde und „die es zu bekämpfen“ gelte (Verfassungsschutzbericht 2009, S. 184). Belege für diese Behauptung werden natürlich nicht erbracht. Sie wären auch schwer zu liefern, da die VVN nirgends den demokratischen Staat an sich bekämpft, sondern lediglich immer wieder eindringlich davor warnt, wenn in Politik und Verwaltung nicht genügend konsequent gegen den Rechtsradikalismus vorgegangen wird. Solche Kritik erachten wir als demokratische Pflicht und hat mit „Bekämpfung des Staats“ nichts zu tun; verwiesen sei hier nur auf die wiederholte notwendige Kritik etwa des Zentralrats der Juden in Deutschland an mangelndem staatlichen Handeln gegenüber antisemitischen Tendenzen. Es ist mehr als bedenklich hinsichtlich des Verständnisses von Demokratie, wenn das Bayerische Innenministerium Kritik an einzelnen politischen Maßnahmen der Exekutive als „diffamierende Beschreibung der Verfassungswirklichkeit“ erachtet und daraus „ein grundsätzliches Infragestellen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) konstruiert.
Wahrheitswidrig: Maßgeblicher Einfluss von Linksextremisten
Ohne Belege, einfach unterstellt wird der bayerischen VVN auch im Verfassungsschutzbericht 2009 (S. 184), dass in der Bayerischen VVN-BdA „der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, maßgeblich“ sei und zur Partei DIE LINKE …ebenfalls Kontakte … bestehen“. Diese Einschätzung geht an der Wirklichkeit vorbei und übernimmt einfach alte Behauptungen. Dass der Großteil der bayerischen VVN-Mitglieder wohl überhaupt nicht parteipolitisch organisiert ist, dass sich auf allen Ebenen in Vorständen Unorganisierte und auch Mitglieder der verschiedensten Parteien finden, wird im Verfassungsschutzbericht einfach unterschlagen. Dass es unter Mitgliedern und Funktionären der VVN auch Angehörige der DKP und der Partei „Die Linke“ gibt, ist selbstverständlich für eine Organisation, die ja bewusst Menschen aus allen weltanschaulichen Lagern ansprechen will, um ungeachtet von Parteizugehörigkeit gemeinsam gegen den Rechtsextremismus zu wirken. Deshalb gibt es in der bayerischen VVN-BdA bei der Aufnahme von Mitgliedern auch keine Frage nach der Parteizugehörigkeit; sie kann und darf für eine antifaschistische Organisation keine Rolle spielen. Dass die VVN-BdA Kontakte zu allen demokratischen Parteien pflegt, ist für eine politische Organisation ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen: Natürlich fanden sich auch in der bayerischen VVN bei der Gründung bereits viele Kommunistinnen und Kommunisten. Dies hatte seine Ursache aber nicht in irgendwelchen „Infiltrationsversuchen“, sondern im Umstand, dass die Kommunisten in der NS-Zeit besonderer Verfolgung ausgesetzt waren. Die Häftlingskartei in der KZ-Gedenkstätte Dachau zeigt dies nachdrücklich.
Wahrheitswidrig: Fehlende Distanzierung von Gewalt
Als Schwerpunkte der Arbeit der bayerischen VVN werden im Verfassungsschutzbericht das Bemühen um ein NPD-Verbot und das Wirken gegen Antisemitismus, Rassismus und Sozialabbau bezeichnet. Was an diesen Schwerpunkten, die kirchliche oder gewerkschaftliche Kreise ebenso setzen, verfassungsfeindlich sein soll, bleibt unklar.
Da der VVN Bayern keinerlei „Gewaltbereitschaft“ – als wichtiges Kriterium des Extremismusvorwurfs – zuzuschreiben ist, konstruiert der Verfassungsschutzbericht 2009 die „Unterstützung von Protesten … bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 185).. Als Beispiel für „die breite Bündnisarbeit“ wird dann lediglich ein Antifaschistisches Jugendcamp erwähnt, bei dem „Jugendliche aus allen antifaschistischen Spektren“ zusammengekommen seien. Diese Methode der Begründung ist infam, weil die angebliche Nähe zur Gewaltbereitschaft behauptet, aber nirgendwo belegt wird. Stattdessen wird unterschlagen, dass zu diesem Jugendcamp in den letzten Jahren auch die beiden NS-Verfolgten Max Mannheimer, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und Träger höchster Auszeichnungen sowie Martin Löwenberg, Träger der Auszeichnung „München leuchtet“ und Landesvorstandsmitglied der bayerischen VVN, zu diesem Camp eingeladen waren und Gespräche mit den Jugendlichen führten.
Die Wirklichkeit nimmt der Verfassungsschutzbericht einfach nicht zur Kenntnis: Die VVN in Bayern wirkt in allen Bündnissen gegen Rechtsextremismus darauf hin, gewaltfrei und solidarisch zu handeln und möglichst breite Kreise zu erreichen. Es ist absurd, einer Organisation wie der VVN, deren Gründer die Gewalttaten der Nazis und die Zerstörung der Demokratie am eigenen Leib erleben mussten, die sich zeitlebens für die Festigung der Demokratie eingesetzt haben, heute Gewaltbereitschaft zu unterstellen.
Wer die Arbeit der bayerischen VVN vorurteilsfrei zur Kenntnis nimmt, wird feststellen, dass sie einen wichtigen Beitrag leistet zum bürgerschaftlichen Engagement gegen den leider wieder erstarkenden Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Dieser Beitrag ist wichtig für den Schutz von Verfassung und Demokratie. Auch das Bayerische Innenministerium sollte dies endlich würdigen.
Deshalb ist die Erwähnung der VVN-BdA durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern nicht gerechtfertigt. Wir fordern daher, die Beobachtung der VVN-BdA einzustellen und sie in den Berichten des Verfassungsschutzes nicht mehr zu erwähnen.
Stellungnahme zu den Diffamierungen der VVN-BdA Bayern durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Staatsministerium des Inneren
8. November 2010
Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009, im Schreiben des ehem. Innenstaatssekretärs Dr. Weiß vom 3.6.2009 an die Präsidentin des Bayerischen Landtags, im Schreiben des Bayerischen Staatsministers des Innern, Joachim Herrmann, vom 6.7.2009 an das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und im Schreiben des Ministerialdirigenten im Bayerischen Innenministerium, Dr. Remmele, vom 18.3.2009 an die VVN-BdA Bayern wird wiederum die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ bezeichnet und deren Erwähnung im Bayerischen Verfassungsschutzbericht gerechtfertigt.Diese Einschätzung ist eine Diffamierung der VVN-BdA und missachtet völlig Ziele und Wirken der VVN-BdA. Diese Einschätzung gibt es nur in Bayern und Baden-Württemberg; im Bund und in allen sonstigen Bundesländern wird die VVN nicht in den Verfassungsschutzberichten erwähnt.
Es ist ein Skandal, dass in Bayern nach wie vor eine Organisation, in der sich Menschen für Demokratie und Frieden engagieren, derart diskriminiert wird. Die Etikettierung der VVN als „linksextremistisch“ ist vor allem auch eine persönliche Diffamierung der älteren Mitglieder der VVN, die unter dem Naziterror in Konzentrationslagern leiden mussten: Diejenigen, die sich damals den Nazis entgegenstellten und noch heute in hohem Alter die Jugend aufklären möchten, werden letztlich als „Extremisten“ auf die gleiche Stufe wie die Neonazis gestellt. Besonders bezeichnend ist die Formulierung im Verfassungsschutzbericht 2009: „Öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der Organisation darüber hinaus [neben dem Engagement für ein NPD-Verbot, d.V.] einen demokratischen Anstrich verleihen“ (S. 184). Mit diesem Satz werden ehemalige Häftlinge entweder als gutgläubige, von finsteren VVN-Mächten instrumentalisierte Opfer hingestellt – oder deren Engagement gegen alte und neue Nazis wird als rein taktisches Manöver gewertet. Beides ist gleichermaßen empörend.
Seit Jahren werden keinerlei stichhaltige Belege für die Diffamierung der VVN vorgebracht; dem Landesamt genügt auch diesmal wieder die bloße Behauptung, dass bei der bayerischen VVN der „Einfluss von Linksextremisten“ maßgeblich sei; außerdem reiche die Bündnisarbeit der VVN „bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 184; immerhin: Im Bericht 2008 reichte der Einfluss noch „weit“ hinein!).
Leider wird an keiner Stelle der Erklärungen des Innenministeriums oder des Landesamtes für Verfassungsschutz die wirkliche Arbeit der bayerischen VVN zur Kenntnis genommen, die sich seit vielen Jahren aktiv gegen Rechtsextremismus engagiert und möglichst breite Bevölkerungskreise zu einem demokratischen, friedlichen Engagement bewegen will. Im Bund und in fast allen Bundesländern wird deshalb die VVN-BdA in den Verfassungsschutzberichten nicht erwähnt. So erscheint der bayerische „Sonderweg“ in Sachen VVN absurd und anachronistisch angesichts der Tatsachen, dass beispielsweise
der Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA, Esther Bejarano, Mitglied im sog. „Mädchenorchester Auschwitz“, vor zwei Jahren vom Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde unter ausdrücklicher Anerkennung ihrer Arbeit in der VVN; dem langjährigen Mitglied des Landevorstand der VVN-Bayern, der NS-Verfolgten und Augsburger Ehrenbürgerin Anni Pröll, vor einigen Jahren vom ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ebenfalls das Bundesverdienstkreuz überreicht wurde; der Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl (CSU) sich Anfang März 2009 bei der Augsburger VVN „sehr herzlich“ bedankt hat für die Teilnahme am Aktionstag gegen Neonazis: „Sie haben mit Ihrer engagierten Aktion (…) ein gutes Stück dazu mitgeholfen, den Ruf Augsburgs als Ort der Demokratie (…) zu festigen“; an verstorbene Mitglieder der bayerischen VVN in verschiedenen Städten mit Straßennamen erinnert wird; die NS-Verfolgten Ernst Grube und Martin Löwenberg mit Auszeichnungen wie „München leuchtet“ von der Stadt München geehrt wurden und Ernst Grube in verschiedenen Gremien seit Jahren auch mit Vertretern der Bayerischen Staatsregierung wirkt; im „Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus“ Partner wie der DGB, die Katholische Arbeitnehmerbewegung, das Erzbistum Bamberg, die Evangelische Kirche, die Israelitische Kultusgemeinde oder der Stadtjugendring gemeinsam mit der Bamberger VVN arbeiten; die VVN an vielen Orten in Bayern ein geschätzter und zuverlässiger Partner von Kommunen und Organisationen ist, wenn es darum geht, das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus wach zu halten und dem Wiederaufleben von Rassismus, Antisemitismus und rechtsextremer Ideologie entgegenzutreten.
Die von der bayerischen Regierung vorgebrachten Gründe für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der VVN-BdA erweisen sich nicht als Tatsachen, sondern als bloße Vermutungen ohne Begründung. Da es für das Innenministerium nicht möglich ist, konkrete Sachverhalte zu benennen, wird entsprechend einer Verschwörungstheorie unterstellt, dass die vielen gutgläubigen Mitglieder der VVN und deren gutgläubige Bündnispartner den wahren extremistischen Charakter der VVN nicht „erkennen“, ihn in „Kauf nehmen“ oder ihn „bagatellisieren“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) würden.
Wahrheitswidrig: „kommunistisch orientierter Antifaschismus“
Der VVN wird wahrheitswidrig unterstellt, sie orientiere sich an der „kommunistischen Dimitroff-Theorie“, wonach die „Ursache für Faschismus zwangsläufig im Kapitalismus und in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zu suchen“ (Schreiben des Staatssekretärs Weiß) sei. Abgesehen von der recht vereinfachten Beschreibung dieser Theorie: Die VVN-BdA hat immer Wert darauf gelegt, keine bestimmte Auffassung über Ursachen von Faschismus und Nationalsozialismus zu vertreten oder verbindlich vorzuschreiben. Warum nimmt das Innenministerium die weltanschauliche Breite der VVN-BdA nicht zur Kenntnis? Warum missachtet es die Passage einer Entschließung der Landeskonferenz der VVN Bayern 2008, in der es heißt:
„Die geschichtlichen Erfahrungen ernst nehmen – Zusammenarbeit gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit fördern
Vor über 60 Jahren gründeten auch in Bayern ehemalige NS-Verfolgte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Grundlage der VVN war ein Konsens, der entstanden ist aus dem früheren Gegeneinander und den nachfolgenden leidvollen Erfahrungen von Nazigegnern verschiedenster politischer Positionen: Nur gemeinsam, ohne jede Ausgrenzung, ohne jeden Wahrheitsanspruch, ohne jede Instrumentalisierung für eine weltanschauliche Zielsetzung können antifaschistische Kräfte so stark werden, den Faschismus zu verhindern. Weil letztlich weite Teile der Gesellschaft vom Faschismus betroffen sind, müssen weite Teile der Gesellschaft einbezogen werden. Inhaltlich zeigen Zukunftsprogramme des Widerstandes, das Potsdamer Abkommen, Verlautbarungen der ersten VVN-Gruppen, das Grundgesetz und insbesondere die Bayerische Verfassung die Breite jenes „antifaschistischen Konsens“: Er war weder antikapitalistisch noch antisozialistisch, sondern hatte eine Gesellschaft zum Ziel, in der demokratische Freiheiten und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen gewährleistet, wirtschaftliche Machtkonzentration verhindert, konsequente Friedenspolitik gesichert und jegliche faschistische Propaganda und Aktivität ausgeschaltet sein sollten.“
Aufgrund dieses Selbstverständnisses gibt es in der VVN deshalb bis heute ein breites Spektrum an Anschauungen über Ursachen des Faschismus, darunter eben auch die Auffassung von einem engen Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus. Im Übrigen bleibt völlig unverständlich, wieso letztere Deutung des Faschismus verfassungsfeindlich sein soll; auch erste Erklärungen der CSU im Nachkriegsbayern oder auch manche Bestimmungen der Bayerischen Verfassung haben in diesem Verständnis ihre Wurzeln. Verwiesen sei hier nur auf den Bericht des NS-Verfolgten und späteren bayerischen Ministers Alois Schlögl, CSU, im vorbereitenden Verfassungsausschuss zum Kapitel Wirtschaft am 13.9.1946, wo er u.a. ausführte: „In den zwölf Jahren feierte der Privatkapitalismus wahre Triumphe. Er kam durch Kapitalisten im wahrsten Sinne des Wortes zur Macht“. Ist es verfassungsfeindlich, wenn neben vielen anderen Auffassungen in der VVN heute auch solche Positionen vertreten werden?
Wahrheitswidrig: Antidemokratische Ziele
Bemerkenswert ist, dass in den o.g. Schreiben und überwiegend auch im bayerischen Verfassungsschutzbericht nicht Aktivitäten des Landesverbandes Bayern der VVN, sondern einzelne Äußerungen des Bundesvorsitzenden oder eines der Bundessprecher als „Belege“ benützt werden (die freilich den Bundesbehörden keinen Anlass geben, die VVN als verfassungsfeindlich zu bezeichnen). Statt solche kritischen Äußerungen auf Bundesebene (Kritik am Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, Kritik an Einschränkungen von Bürgerrechten, Kritik an mangelndem staatlichen Vorgehen gegen Rechtsextremismus, Warnung vor zunehmender Militarisierung und Kritik am Bundeswehreinsatz im Inneren und im Ausland) als Teil demokratisch legitimer Kritik zu werten, sieht das Bayerische Innenministerium hierin bereits Hinweise auf verfassungsfeindliche Positionen.
Der VVN wird damit vorgehalten, sie kämpfe nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern letztlich vor allem auch gegen die „parlamentarische Demokratie“, die als „potenziell faschistisch“ betrachtet werde und „die es zu bekämpfen“ gelte (Verfassungsschutzbericht 2009, S. 184). Belege für diese Behauptung werden natürlich nicht erbracht. Sie wären auch schwer zu liefern, da die VVN nirgends den demokratischen Staat an sich bekämpft, sondern lediglich immer wieder eindringlich davor warnt, wenn in Politik und Verwaltung nicht genügend konsequent gegen den Rechtsradikalismus vorgegangen wird. Solche Kritik erachten wir als demokratische Pflicht und hat mit „Bekämpfung des Staats“ nichts zu tun; verwiesen sei hier nur auf die wiederholte notwendige Kritik etwa des Zentralrats der Juden in Deutschland an mangelndem staatlichen Handeln gegenüber antisemitischen Tendenzen. Es ist mehr als bedenklich hinsichtlich des Verständnisses von Demokratie, wenn das Bayerische Innenministerium Kritik an einzelnen politischen Maßnahmen der Exekutive als „diffamierende Beschreibung der Verfassungswirklichkeit“ erachtet und daraus „ein grundsätzliches Infragestellen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) konstruiert.
Wahrheitswidrig: Maßgeblicher Einfluss von Linksextremisten
Ohne Belege, einfach unterstellt wird der bayerischen VVN auch im Verfassungsschutzbericht 2009 (S. 184), dass in der Bayerischen VVN-BdA „der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, maßgeblich“ sei und zur Partei DIE LINKE …ebenfalls Kontakte … bestehen“. Diese Einschätzung geht an der Wirklichkeit vorbei und übernimmt einfach alte Behauptungen. Dass der Großteil der bayerischen VVN-Mitglieder wohl überhaupt nicht parteipolitisch organisiert ist, dass sich auf allen Ebenen in Vorständen Unorganisierte und auch Mitglieder der verschiedensten Parteien finden, wird im Verfassungsschutzbericht einfach unterschlagen. Dass es unter Mitgliedern und Funktionären der VVN auch Angehörige der DKP und der Partei „Die Linke“ gibt, ist selbstverständlich für eine Organisation, die ja bewusst Menschen aus allen weltanschaulichen Lagern ansprechen will, um ungeachtet von Parteizugehörigkeit gemeinsam gegen den Rechtsextremismus zu wirken. Deshalb gibt es in der bayerischen VVN-BdA bei der Aufnahme von Mitgliedern auch keine Frage nach der Parteizugehörigkeit; sie kann und darf für eine antifaschistische Organisation keine Rolle spielen. Dass die VVN-BdA Kontakte zu allen demokratischen Parteien pflegt, ist für eine politische Organisation ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen: Natürlich fanden sich auch in der bayerischen VVN bei der Gründung bereits viele Kommunistinnen und Kommunisten. Dies hatte seine Ursache aber nicht in irgendwelchen „Infiltrationsversuchen“, sondern im Umstand, dass die Kommunisten in der NS-Zeit besonderer Verfolgung ausgesetzt waren. Die Häftlingskartei in der KZ-Gedenkstätte Dachau zeigt dies nachdrücklich.
Wahrheitswidrig: Fehlende Distanzierung von Gewalt
Als Schwerpunkte der Arbeit der bayerischen VVN werden im Verfassungsschutzbericht das Bemühen um ein NPD-Verbot und das Wirken gegen Antisemitismus, Rassismus und Sozialabbau bezeichnet. Was an diesen Schwerpunkten, die kirchliche oder gewerkschaftliche Kreise ebenso setzen, verfassungsfeindlich sein soll, bleibt unklar.
Da der VVN Bayern keinerlei „Gewaltbereitschaft“ – als wichtiges Kriterium des Extremismusvorwurfs – zuzuschreiben ist, konstruiert der Verfassungsschutzbericht 2009 die „Unterstützung von Protesten … bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 185).. Als Beispiel für „die breite Bündnisarbeit“ wird dann lediglich ein Antifaschistisches Jugendcamp erwähnt, bei dem „Jugendliche aus allen antifaschistischen Spektren“ zusammengekommen seien. Diese Methode der Begründung ist infam, weil die angebliche Nähe zur Gewaltbereitschaft behauptet, aber nirgendwo belegt wird. Stattdessen wird unterschlagen, dass zu diesem Jugendcamp in den letzten Jahren auch die beiden NS-Verfolgten Max Mannheimer, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und Träger höchster Auszeichnungen sowie Martin Löwenberg, Träger der Auszeichnung „München leuchtet“ und Landesvorstandsmitglied der bayerischen VVN, zu diesem Camp eingeladen waren und Gespräche mit den Jugendlichen führten.
Die Wirklichkeit nimmt der Verfassungsschutzbericht einfach nicht zur Kenntnis: Die VVN in Bayern wirkt in allen Bündnissen gegen Rechtsextremismus darauf hin, gewaltfrei und solidarisch zu handeln und möglichst breite Kreise zu erreichen. Es ist absurd, einer Organisation wie der VVN, deren Gründer die Gewalttaten der Nazis und die Zerstörung der Demokratie am eigenen Leib erleben mussten, die sich zeitlebens für die Festigung der Demokratie eingesetzt haben, heute Gewaltbereitschaft zu unterstellen.
Wer die Arbeit der bayerischen VVN vorurteilsfrei zur Kenntnis nimmt, wird feststellen, dass sie einen wichtigen Beitrag leistet zum bürgerschaftlichen Engagement gegen den leider wieder erstarkenden Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Dieser Beitrag ist wichtig für den Schutz von Verfassung und Demokratie. Auch das Bayerische Innenministerium sollte dies endlich würdigen.
Deshalb ist die Erwähnung der VVN-BdA durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern nicht gerechtfertigt. Wir fordern daher, die Beobachtung der VVN-BdA einzustellen und sie in den Berichten des Verfassungsschutzes nicht mehr zu erwähnen.
Stellungnahme zu den Diffamierungen der VVN-BdA Bayern durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Staatsministerium des Inneren
8. November 2010
Im Bayerischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2009, im Schreiben des ehem. Innenstaatssekretärs Dr. Weiß vom 3.6.2009 an die Präsidentin des Bayerischen Landtags, im Schreiben des Bayerischen Staatsministers des Innern, Joachim Herrmann, vom 6.7.2009 an das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und im Schreiben des Ministerialdirigenten im Bayerischen Innenministerium, Dr. Remmele, vom 18.3.2009 an die VVN-BdA Bayern wird wiederum die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ bezeichnet und deren Erwähnung im Bayerischen Verfassungsschutzbericht gerechtfertigt.Diese Einschätzung ist eine Diffamierung der VVN-BdA und missachtet völlig Ziele und Wirken der VVN-BdA. Diese Einschätzung gibt es nur in Bayern und Baden-Württemberg; im Bund und in allen sonstigen Bundesländern wird die VVN nicht in den Verfassungsschutzberichten erwähnt.
Es ist ein Skandal, dass in Bayern nach wie vor eine Organisation, in der sich Menschen für Demokratie und Frieden engagieren, derart diskriminiert wird. Die Etikettierung der VVN als „linksextremistisch“ ist vor allem auch eine persönliche Diffamierung der älteren Mitglieder der VVN, die unter dem Naziterror in Konzentrationslagern leiden mussten: Diejenigen, die sich damals den Nazis entgegenstellten und noch heute in hohem Alter die Jugend aufklären möchten, werden letztlich als „Extremisten“ auf die gleiche Stufe wie die Neonazis gestellt. Besonders bezeichnend ist die Formulierung im Verfassungsschutzbericht 2009: „Öffentliche Zeitzeugenauftritte von früheren KZ-Häftlingen sollen der Organisation darüber hinaus [neben dem Engagement für ein NPD-Verbot, d.V.] einen demokratischen Anstrich verleihen“ (S. 184). Mit diesem Satz werden ehemalige Häftlinge entweder als gutgläubige, von finsteren VVN-Mächten instrumentalisierte Opfer hingestellt – oder deren Engagement gegen alte und neue Nazis wird als rein taktisches Manöver gewertet. Beides ist gleichermaßen empörend.
Seit Jahren werden keinerlei stichhaltige Belege für die Diffamierung der VVN vorgebracht; dem Landesamt genügt auch diesmal wieder die bloße Behauptung, dass bei der bayerischen VVN der „Einfluss von Linksextremisten“ maßgeblich sei; außerdem reiche die Bündnisarbeit der VVN „bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 184; immerhin: Im Bericht 2008 reichte der Einfluss noch „weit“ hinein!).
Leider wird an keiner Stelle der Erklärungen des Innenministeriums oder des Landesamtes für Verfassungsschutz die wirkliche Arbeit der bayerischen VVN zur Kenntnis genommen, die sich seit vielen Jahren aktiv gegen Rechtsextremismus engagiert und möglichst breite Bevölkerungskreise zu einem demokratischen, friedlichen Engagement bewegen will. Im Bund und in fast allen Bundesländern wird deshalb die VVN-BdA in den Verfassungsschutzberichten nicht erwähnt. So erscheint der bayerische „Sonderweg“ in Sachen VVN absurd und anachronistisch angesichts der Tatsachen, dass beispielsweise
der Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA, Esther Bejarano, Mitglied im sog. „Mädchenorchester Auschwitz“, vor zwei Jahren vom Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde unter ausdrücklicher Anerkennung ihrer Arbeit in der VVN; dem langjährigen Mitglied des Landevorstand der VVN-Bayern, der NS-Verfolgten und Augsburger Ehrenbürgerin Anni Pröll, vor einigen Jahren vom ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ebenfalls das Bundesverdienstkreuz überreicht wurde; der Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl (CSU) sich Anfang März 2009 bei der Augsburger VVN „sehr herzlich“ bedankt hat für die Teilnahme am Aktionstag gegen Neonazis: „Sie haben mit Ihrer engagierten Aktion (…) ein gutes Stück dazu mitgeholfen, den Ruf Augsburgs als Ort der Demokratie (…) zu festigen“; an verstorbene Mitglieder der bayerischen VVN in verschiedenen Städten mit Straßennamen erinnert wird; die NS-Verfolgten Ernst Grube und Martin Löwenberg mit Auszeichnungen wie „München leuchtet“ von der Stadt München geehrt wurden und Ernst Grube in verschiedenen Gremien seit Jahren auch mit Vertretern der Bayerischen Staatsregierung wirkt; im „Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus“ Partner wie der DGB, die Katholische Arbeitnehmerbewegung, das Erzbistum Bamberg, die Evangelische Kirche, die Israelitische Kultusgemeinde oder der Stadtjugendring gemeinsam mit der Bamberger VVN arbeiten; die VVN an vielen Orten in Bayern ein geschätzter und zuverlässiger Partner von Kommunen und Organisationen ist, wenn es darum geht, das Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus wach zu halten und dem Wiederaufleben von Rassismus, Antisemitismus und rechtsextremer Ideologie entgegenzutreten.
Die von der bayerischen Regierung vorgebrachten Gründe für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der VVN-BdA erweisen sich nicht als Tatsachen, sondern als bloße Vermutungen ohne Begründung. Da es für das Innenministerium nicht möglich ist, konkrete Sachverhalte zu benennen, wird entsprechend einer Verschwörungstheorie unterstellt, dass die vielen gutgläubigen Mitglieder der VVN und deren gutgläubige Bündnispartner den wahren extremistischen Charakter der VVN nicht „erkennen“, ihn in „Kauf nehmen“ oder ihn „bagatellisieren“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) würden.
Wahrheitswidrig: „kommunistisch orientierter Antifaschismus“
Der VVN wird wahrheitswidrig unterstellt, sie orientiere sich an der „kommunistischen Dimitroff-Theorie“, wonach die „Ursache für Faschismus zwangsläufig im Kapitalismus und in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung zu suchen“ (Schreiben des Staatssekretärs Weiß) sei. Abgesehen von der recht vereinfachten Beschreibung dieser Theorie: Die VVN-BdA hat immer Wert darauf gelegt, keine bestimmte Auffassung über Ursachen von Faschismus und Nationalsozialismus zu vertreten oder verbindlich vorzuschreiben. Warum nimmt das Innenministerium die weltanschauliche Breite der VVN-BdA nicht zur Kenntnis? Warum missachtet es die Passage einer Entschließung der Landeskonferenz der VVN Bayern 2008, in der es heißt:
„Die geschichtlichen Erfahrungen ernst nehmen – Zusammenarbeit gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit fördern
Vor über 60 Jahren gründeten auch in Bayern ehemalige NS-Verfolgte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Grundlage der VVN war ein Konsens, der entstanden ist aus dem früheren Gegeneinander und den nachfolgenden leidvollen Erfahrungen von Nazigegnern verschiedenster politischer Positionen: Nur gemeinsam, ohne jede Ausgrenzung, ohne jeden Wahrheitsanspruch, ohne jede Instrumentalisierung für eine weltanschauliche Zielsetzung können antifaschistische Kräfte so stark werden, den Faschismus zu verhindern. Weil letztlich weite Teile der Gesellschaft vom Faschismus betroffen sind, müssen weite Teile der Gesellschaft einbezogen werden. Inhaltlich zeigen Zukunftsprogramme des Widerstandes, das Potsdamer Abkommen, Verlautbarungen der ersten VVN-Gruppen, das Grundgesetz und insbesondere die Bayerische Verfassung die Breite jenes „antifaschistischen Konsens“: Er war weder antikapitalistisch noch antisozialistisch, sondern hatte eine Gesellschaft zum Ziel, in der demokratische Freiheiten und soziale Gerechtigkeit für alle Menschen gewährleistet, wirtschaftliche Machtkonzentration verhindert, konsequente Friedenspolitik gesichert und jegliche faschistische Propaganda und Aktivität ausgeschaltet sein sollten.“
Aufgrund dieses Selbstverständnisses gibt es in der VVN deshalb bis heute ein breites Spektrum an Anschauungen über Ursachen des Faschismus, darunter eben auch die Auffassung von einem engen Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus. Im Übrigen bleibt völlig unverständlich, wieso letztere Deutung des Faschismus verfassungsfeindlich sein soll; auch erste Erklärungen der CSU im Nachkriegsbayern oder auch manche Bestimmungen der Bayerischen Verfassung haben in diesem Verständnis ihre Wurzeln. Verwiesen sei hier nur auf den Bericht des NS-Verfolgten und späteren bayerischen Ministers Alois Schlögl, CSU, im vorbereitenden Verfassungsausschuss zum Kapitel Wirtschaft am 13.9.1946, wo er u.a. ausführte: „In den zwölf Jahren feierte der Privatkapitalismus wahre Triumphe. Er kam durch Kapitalisten im wahrsten Sinne des Wortes zur Macht“. Ist es verfassungsfeindlich, wenn neben vielen anderen Auffassungen in der VVN heute auch solche Positionen vertreten werden?
Wahrheitswidrig: Antidemokratische Ziele
Bemerkenswert ist, dass in den o.g. Schreiben und überwiegend auch im bayerischen Verfassungsschutzbericht nicht Aktivitäten des Landesverbandes Bayern der VVN, sondern einzelne Äußerungen des Bundesvorsitzenden oder eines der Bundessprecher als „Belege“ benützt werden (die freilich den Bundesbehörden keinen Anlass geben, die VVN als verfassungsfeindlich zu bezeichnen). Statt solche kritischen Äußerungen auf Bundesebene (Kritik am Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, Kritik an Einschränkungen von Bürgerrechten, Kritik an mangelndem staatlichen Vorgehen gegen Rechtsextremismus, Warnung vor zunehmender Militarisierung und Kritik am Bundeswehreinsatz im Inneren und im Ausland) als Teil demokratisch legitimer Kritik zu werten, sieht das Bayerische Innenministerium hierin bereits Hinweise auf verfassungsfeindliche Positionen.
Der VVN wird damit vorgehalten, sie kämpfe nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern letztlich vor allem auch gegen die „parlamentarische Demokratie“, die als „potenziell faschistisch“ betrachtet werde und „die es zu bekämpfen“ gelte (Verfassungsschutzbericht 2009, S. 184). Belege für diese Behauptung werden natürlich nicht erbracht. Sie wären auch schwer zu liefern, da die VVN nirgends den demokratischen Staat an sich bekämpft, sondern lediglich immer wieder eindringlich davor warnt, wenn in Politik und Verwaltung nicht genügend konsequent gegen den Rechtsradikalismus vorgegangen wird. Solche Kritik erachten wir als demokratische Pflicht und hat mit „Bekämpfung des Staats“ nichts zu tun; verwiesen sei hier nur auf die wiederholte notwendige Kritik etwa des Zentralrats der Juden in Deutschland an mangelndem staatlichen Handeln gegenüber antisemitischen Tendenzen. Es ist mehr als bedenklich hinsichtlich des Verständnisses von Demokratie, wenn das Bayerische Innenministerium Kritik an einzelnen politischen Maßnahmen der Exekutive als „diffamierende Beschreibung der Verfassungswirklichkeit“ erachtet und daraus „ein grundsätzliches Infragestellen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ (Brief des ehem. Staatssekretärs Weiß) konstruiert.
Wahrheitswidrig: Maßgeblicher Einfluss von Linksextremisten
Ohne Belege, einfach unterstellt wird der bayerischen VVN auch im Verfassungsschutzbericht 2009 (S. 184), dass in der Bayerischen VVN-BdA „der Einfluss von Linksextremisten, insbesondere aus der DKP, maßgeblich“ sei und zur Partei DIE LINKE …ebenfalls Kontakte … bestehen“. Diese Einschätzung geht an der Wirklichkeit vorbei und übernimmt einfach alte Behauptungen. Dass der Großteil der bayerischen VVN-Mitglieder wohl überhaupt nicht parteipolitisch organisiert ist, dass sich auf allen Ebenen in Vorständen Unorganisierte und auch Mitglieder der verschiedensten Parteien finden, wird im Verfassungsschutzbericht einfach unterschlagen. Dass es unter Mitgliedern und Funktionären der VVN auch Angehörige der DKP und der Partei „Die Linke“ gibt, ist selbstverständlich für eine Organisation, die ja bewusst Menschen aus allen weltanschaulichen Lagern ansprechen will, um ungeachtet von Parteizugehörigkeit gemeinsam gegen den Rechtsextremismus zu wirken. Deshalb gibt es in der bayerischen VVN-BdA bei der Aufnahme von Mitgliedern auch keine Frage nach der Parteizugehörigkeit; sie kann und darf für eine antifaschistische Organisation keine Rolle spielen. Dass die VVN-BdA Kontakte zu allen demokratischen Parteien pflegt, ist für eine politische Organisation ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Im Übrigen: Natürlich fanden sich auch in der bayerischen VVN bei der Gründung bereits viele Kommunistinnen und Kommunisten. Dies hatte seine Ursache aber nicht in irgendwelchen „Infiltrationsversuchen“, sondern im Umstand, dass die Kommunisten in der NS-Zeit besonderer Verfolgung ausgesetzt waren. Die Häftlingskartei in der KZ-Gedenkstätte Dachau zeigt dies nachdrücklich.
Wahrheitswidrig: Fehlende Distanzierung von Gewalt
Als Schwerpunkte der Arbeit der bayerischen VVN werden im Verfassungsschutzbericht das Bemühen um ein NPD-Verbot und das Wirken gegen Antisemitismus, Rassismus und Sozialabbau bezeichnet. Was an diesen Schwerpunkten, die kirchliche oder gewerkschaftliche Kreise ebenso setzen, verfassungsfeindlich sein soll, bleibt unklar.
Da der VVN Bayern keinerlei „Gewaltbereitschaft“ – als wichtiges Kriterium des Extremismusvorwurfs – zuzuschreiben ist, konstruiert der Verfassungsschutzbericht 2009 die „Unterstützung von Protesten … bis in das gewaltbereite Spektrum hinein“ (S. 185).. Als Beispiel für „die breite Bündnisarbeit“ wird dann lediglich ein Antifaschistisches Jugendcamp erwähnt, bei dem „Jugendliche aus allen antifaschistischen Spektren“ zusammengekommen seien. Diese Methode der Begründung ist infam, weil die angebliche Nähe zur Gewaltbereitschaft behauptet, aber nirgendwo belegt wird. Stattdessen wird unterschlagen, dass zu diesem Jugendcamp in den letzten Jahren auch die beiden NS-Verfolgten Max Mannheimer, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und Träger höchster Auszeichnungen sowie Martin Löwenberg, Träger der Auszeichnung „München leuchtet“ und Landesvorstandsmitglied der bayerischen VVN, zu diesem Camp eingeladen waren und Gespräche mit den Jugendlichen führten.
Die Wirklichkeit nimmt der Verfassungsschutzbericht einfach nicht zur Kenntnis: Die VVN in Bayern wirkt in allen Bündnissen gegen Rechtsextremismus darauf hin, gewaltfrei und solidarisch zu handeln und möglichst breite Kreise zu erreichen. Es ist absurd, einer Organisation wie der VVN, deren Gründer die Gewalttaten der Nazis und die Zerstörung der Demokratie am eigenen Leib erleben mussten, die sich zeitlebens für die Festigung der Demokratie eingesetzt haben, heute Gewaltbereitschaft zu unterstellen.
Wer die Arbeit der bayerischen VVN vorurteilsfrei zur Kenntnis nimmt, wird feststellen, dass sie einen wichtigen Beitrag leistet zum bürgerschaftlichen Engagement gegen den leider wieder erstarkenden Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Dieser Beitrag ist wichtig für den Schutz von Verfassung und Demokratie. Auch das Bayerische Innenministerium sollte dies endlich würdigen.
Deshalb ist die Erwähnung der VVN-BdA durch das Landesamt für Verfassungsschutz in Bayern nicht gerechtfertigt. Wir fordern daher, die Beobachtung der VVN-BdA einzustellen und sie in den Berichten des Verfassungsschutzes nicht mehr zu erwähnen.