Das Recht auf Freizügigkeit steht JEDEM zu

geschrieben von Renate Hennecke, Landessprecherin

2. September 2013

„Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.“ Wenn es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte „Jeder“ heißt, ist auch „Jeder“ gemeint. In Deutschland gilt das Recht auf Freizügigkeit nicht für Jeden: Asylsuchende sind davon ausgenommen. Auch Artikel 26 des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951, in dem das Recht auf Freizügigkeit garantiert ist, wird in Deutschland ignoriert: Seit der Änderung des Asylverfahrensgesetzes im Jahr 1982 wird Flüchtlingen ein Wohnort zugewiesen. Ihr Aufenthalt wird auf ein Bundesland, in Bayern und Sachsen sogar auf einen bestimmten Regierungsbezirk beschränkt.

Mittlerweile wird das nicht mehr kritiklos hingenommen. Zwei Protestzüge von Flüchtlingen und Unterstützern, die seit dem 20.8. durch Bayern ziehen – der eine von Würzburg, der andere von Bayreuth nach München, finden Sympathie und Unterstützung in der Bevölkerung und in den Medien. In der Süddeutschen Zeitung vom 29.08.13 beispielsweise wurde die sogenannte „Residenzpflicht“ sehr deutlich als „Schande für den deutschen Rechtsstaat“, als „Instrument der Willkür“ und als „Instrument der Kriminalisierung“ charakterisiert: „Überschreitet ein Flüchtling die Grenze, und sei es nur, um seine schwangere Freundin zu besuchen, begeht er eine Straftat, obwohl er niemanden gefährdet und niemandem schadet.“

Die Teilnehmer/innen der Protestzüge fordern u. a. die Aufhebung der Residenzpflicht. Der bayerische Innenminister Joachim Hermann (CSU) will an der menschenrechtswidrigen Regelung festhalten. In Freising wurde deshalb einer der Züge von einem Großaufgebot der Polizei gestoppt, um nach dem Überschreiten der Grenze zum Regierungsbezirk Oberbayern die Personalien der Protestierenden festzuhalten – Grundlage für eine Kriminalisierung wegen Verletzung der Residenzpflicht. Dass die betroffenen Teilnehmer/innen nicht freiwillig ausgeliefert werden würden, war vorher absehbar und Teil des polizeilichen Kalküls. Unter dem fadenscheinigen Vorwand, die Flüchtlinge hätten bei der Kontrolle „nicht kooperiert“, wurden sie eingekesselt und beim Herausholen in mehreren Fällen so schwer verletzt, dass sie zur stationären Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Die Flüchtlinge, die seit April 2012 hartnäckig immer wieder gegen ihre entwürdigende Behandlung protestieren, sollen isoliert, potentielle Mitstreiter abgeschreckt werden. Die Missachtung internationaler Menschenrechtsabkommen soll ungestört fortgesetzt werden – zum Beifall eines rechten Wählerpotentials.

Der Landesverband Bayern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten protestiert schärfstens gegen den brutalen Polizeiüberfall auf den Flüchtlingszug am 1.9.2013 in Freising und gegen die Maßnahmen der bayerischen Staatsregierung zur Sicherung einer Asylpolitik, die im Gegensatz zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und zur Genfer Flüchtlingskonvention steht.