„Gericht beweist mit Akkreditierungsverfahren Unsensibilität und verkennt die Bedeutung des NSU-Prozess“
2. April 2013
Das Bündnis gegen Naziterror kritisiert in einer Pressemitteilng den Umgang des Oberlandesgerichts mit türkischen, griechischen und anderen internationalen Medien zum NSU-Prozess und sieht die kritische Berichterstattung gefährdet.
Das Bündnis schreibt:
„Das skandalöse Verhalten des Oberlandesgerichts (OLG) München, an dem ab Mitte April der Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder des ‚Nationalsozialistischen Widerstands’ (NSU) verhandelt wird, findet kein Ende. Nachdem bereits Botschafter und Menschenrechtsbeauftragter der Türkei Anfang März keinen festen Sitzplatz im Gerichtssaal zum NSU-Prozess zugesagt bekommen hatten, wurden heute gemäß einer Mitteilung des OLG zum Akkreditierungsverfahren um feste Plätze für Journalist_innen fast alle internationalen Pressevertretungen, unter ihnen auch alle türkischen und griechischen Medien, vom Prozess ausgeschlossen. Dabei ignoriert das Gericht erneut das besondere Interesse dieser Medien an der Aufklärung der rassistischen Morde. Dementsprechend groß ist jetzt die Empörung. So titelt die große türkische und auch in Deutschland viel gelesene Tageszeitung ‚Hürriyet’ am heutigen Dienstag in deutscher Sprache: „Türkische Presse nicht erwünscht“. „Die Platzvergabe zeugt von einer ungeheuren Unsensibilität des Gerichts. Offenbar werden die politischen, gesellschaftlichen und auch internationalen Dimensionen des Prozesses vollkommen ignoriert. Dabei wäre gerade von der türkischen und griechischen Presse eine kritische Berichterstattung zu erwarten, die auch besonders sensibilisiert für rassistische Strukturen innerhalb der Ermittlungen sein könnte“, kommentiert Bernd Kaminski, Pressesprecher des ‚Bündnis gegen Naziterror und Rassismus‘.
In dem Vergabeverfahren erhielten die Medien feste Plätze, die sich am schnellsten angemeldet hatten. Während die international renommierte Presse, beispielsweise New York Times und al-Dschasira, nun von einer direkten Berichterstattung ausgeschlossen wurde, fielen die ohnehin wenigen Plätze Medien wie der Agentur Mandoga Media, zu deren Kunden vor allem Illustrierte gehören, oder dem Münchner Unterhaltungsradio Radio Arabella zu. Auch der unabhängigen Beobachtungsstelle NSU-Watch e.V. wird die Möglichkeit einer unabhängigen Prozessbeobachtung verwehrt.
„Das Gericht gefährdet mit dem willkürlichen Verfahren eine kritische Berichterstattung. Statt ausländische und kritische, unabhängige Pressevertreter_innen zuzulassen, ist so mit einer Berichterstattung aus einer Perspektive der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu rechnen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Ermittlungen um die Morde des NSU geprägt von institutionellem und strukturellen Rassismus waren, ist das empörend“, so Kaminski. „Auch für weitere Zuhörer_innen sind nur 50 Plätze reserviert. Damit ist zu befürchten, dass das Gericht ähnlich unsensibel mit den Angehörigen der Opfer umgeht. Nach dem jahrelangen schikanösen und rassistischen Umgang der Behörden mit den Opferfamilien, wäre das skandalös.“