Klage der VVN Regensburg gegen Verfassungsschutzbericht hat Erfolg
15. Januar 2016
Wie bekannt diffamiert die bayerische CSU-Staatsregierung -im Gegensatz zur Bundesregierung und anderen Länderregierungen- die VVN als angeblich „linksextremistisch beeinflusst“ und nennt sie daher im bayerischen Verfassungsschutzbericht. Wie jetzt ein Prozess am Münchner Verwaltungsgericht, 22. Kammer, zeigte, ist es um den Wahrheitsgehalt von „Tatsachenbehauptungen“ des Landesamts für Verfassungsschutz nicht immer gut bestellt.
Im Verfassungsschutzbericht 2013 suchte das Innenministerium den angeblichen „Linksextremismus“ der VVN u. a. mit der folgenden absurden Behauptung zu belegen: „Am 30. November [2013] führte die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) einen Infostand in Regensburg durch, der von einer Funktionärin der Kreisvereinigung Regensburg der VVN-BdA geleitet wurde.“ Gegen diese wahrheitswidrige Passage hatte die Kreisvereinigung Regensburg der VVN mit ihrer Kreisvorsitzenden Luise Gutmann geklagt. Gutmann soll es, nach Aussage von Polizeibeamten, gewesen sein, die den Infostand leitete.
Die Beweisaufnahme vor Gericht zeigte dann, wie leicht man in einen Verfassungsschutzbericht geraten kann: Als Zeugen geladen war der MLPD-Vertreter, der den Infostand angemeldet hatte und zwei Polizisten, auf deren Bericht hin der Eintrag im Verfassungsschutzbericht vorgenommen worden war. Der MLPD-Mann bestätigte, Luise Gutmann zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt nicht gekannt zu haben, geschweige denn habe sie den Stand seiner Partei geleitet.
Die beiden Zeugen der Polizei schilderten folgenden Vorgang: Ein Streifenbeamter habe den Infostand kontrolliert; bei díesem „ein- bis zweiminütigen Kontakt“, sprich Kontrolle des Sondernutzungsbescheids wurden keine Personalien festgestellt. Einige Tage später habe ein Staatsschutzbeamter beim Streifenpolizisten nachgefragt und die Auskunft erhalten, eine „50 bis 60 Jahre alte Frau mit kurzen, grauen Haaren“ sei die Leiterin gewesen. Allein diese vage Personenbeschreibung ließ den Herrn vom Staatsschutz auf Luise Gutmann tippen. Er schickte ein Foto an den Streifenpolizisten bzw. man „googelte“ Fotos, das wusste der Zeuge nicht mehr genau. Ergebnis: Es sei „wohl“ diese Frau gewesen. Gegenüber gestellt mit Luise Gutmann meinte der Zeuge, die Frau käme ihm „irgendwie bekannt“ vor, er könne aber nicht mit Sicherheit sagen, sie sei die Dame am Stand gewesen. Der Vorfall sei ja zwei Jahre her.
Der MLPD-Funktionär, erneut befragt, teilte noch mit, die Infostandleiterin könne seine Frau gewesen sein, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Luise Gutmann habe.
Bezeichnenderweise bezogen sich weder die polizeilichen Zeugen noch die Prozessvertreter des Freistaats auf den sog. IVS-Bericht vom 12.12.2013, einem Report der Polizei Regensburg, Staatsschutz, an den Verfassungsschutz, den die Beklagten als Beweismittel vorgelegt hatten. In diesem IVS-Bericht hatte, im Widerspruch zu den Zeugenaussagen in der Verhandlung, gestanden: „Als Leiterin benannte sich (Hervorhebung G.H.) ggü. Beamten der PI Regensburg Süd die Regensburger Kreisvorsitzende der VVN-BdA, Luise Gutmann.“ Der Staatsschutzbericht meldete weiter, dass Luise Gutmann auch Infostände für den Bund für Geistesfreiheit, einem Verband von Konfessionslosen, anmelde. Was daran verwerflich sein soll, bleibt vorerst Geheimnis der Staatsschützer, denn dass Konfessionslose offiziell „extremistischer“ Umtriebe bezichtigt würden, ist selbst seitens der christlichen Regierungspartei noch nicht bekannt.
Kurz und gut: Die Beweisaufnahme ergab, dass der beklagte Freistaat seine Behauptung, Luise Gutmann habe einen MLPD-Stand geleitet, nicht beweisen kann. Das Gericht legte den Prozessvertretern der Staatsregierung daher nahe, die Passage aus dem Verfassungsschutzbericht zu streichen. Die Richter wiesen nachdrücklich darauf hin, dass ein Urteil zuungunsten des Freistaats ausfallen würde. Daraufhin lenkten die Beklagten ein. Nachdem die Regierungsvertreter sich bereit erklärten „die streitgegenständliche Passage aus dem Verfassungsschutzbericht 2013 zu entfernen“ wurde das Verfahren eingestellt. Die Kosten des Verfahrens (Streitwert € 5.000) trägt der beklagte Freistaat.
In einem Einzelfall konnte somit dem Treiben der staatlich bestallten sog. „Verfassungsschützer“ Grenzen gesetzt werden. Nun ist es an der Zeit, dass die Nennung unserer Organisation im bayerischen Verfassungsschutzbericht beendet wird. Das Urteil macht Mut für die weitere juristische und vor allem politische Auseinandersetzung.