Laudatio auf Ernst Grube
25. September 2023
anlässlich der Aushändigung des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland am Freitag, dem 22. September 2023 an Herrn Ernst Grube, München
Sehr geehrter Herr Grube,
Sie und Ihre Familie mussten leidvoll erfahren, was Entrechtung, Entmenschlichung und Verfolgung unter der NS-Diktatur bedeuteten. Nach 1945 mussten Sie mit ansehen, wie viele alte Nationalsozialisten beim Wiederaufbau erneut in Amt und Würden kamen. Sie dagegen gehörten aufgrund Ihrer politischen Überzeugungen wieder zu den Verfolgten und Marginalisierten. Doch trotz dieser bitteren Erfahrungen haben Sie nie klein beigegeben, nie stillgehalten. Stattdessen waren und sind Sie ein leuchtendes Beispiel für Zivilcourage und Engagement. Sie leben vor, was das „Nie wieder!“ als Herzstück unserer Erinnerungskultur bedeutet. Durch Ihre vorbildliche Lebensleistung haben Sie hohe und höchste Auszeichnungen verdient.
Als Kind einer jüdischen Mutter erlebten Sie schon früh Diskriminierung, Entrechtung, Deportation und Internierung im Konzentrationslager. Als Fünfjähriger wurden Sie Zeuge des Abrisses der Münchner Synagoge. Ihre verzweifelten Eltern brachten Sie und Ihre beiden Geschwister kurz vor dem Novemberpogrom 1938 ins jüdische Kinderheim in der Antonienstraße. Gemeinsam mit Ihrer Familie wurden Sie im Februar 1945 im Alter von 12 Jahren nach Theresienstadt deportiert.
Sie überlebten und kehrten nach München zurück. Hier mussten Sie erleben, wie viele alte Nationalsozialisten bei Wiederaufbau erneut in staatliche und gesellschaftliche Schlüsselpositionen gelangten. Das entsprach ganz und gar nicht dem, was Sie unter „Lehren aus dem Faschismus“ verstanden. Dagegen und gegen vieles andere, was Sie als ungerecht empfanden, sind Sie zeitlebens aufgestanden, auch wenn das für Sie persönlich erneut Ausgrenzung und Diskriminierung bedeutete. Politisches Engagement und insbesondere das Eintreten für eine gelebte Erinnerungskultur prägen Sie und Ihr Handeln bis heute.
Ihr Einsatz reicht von der Wahrnehmung des Amtes als Präsident der „Lagergemeinschaft Dachau e. V.“, dem Vorsitz im Kuratorium der Stiftung Bayerische Gedenkstätten über die Mitgliedschaft im lnitiativkreis für das NS- Dokumentationszentrum München, in dessen Politischem Beirat Sie seit 2005 tätig sind, bis hin zu jahrzehntelanger Arbeit als Zeitzeuge im bildungspolitischen Bereich. Egal ob bei zahllosen Gesprächen und Seminaren mit Schülerinnen und Schülern oder bei Lehrerfortbildungen – als Zeitzeuge vermitteln Sie aus eigener Erfahrung, was Diktatur und menschenverachtende Ideologie für den Einzelnen bedeuten. Gerade der Dialog mit den Jugendlichen liegt Ihnen am Herzen. Sie halten die jungen Menschen dazu an, allzeit aufmerksam gegenüber Angriffen auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu sein und sich ihnen aktiv entgegenzustellen. Sie machen so deutlich, dass die Demokratie nur durch die Handlungen jeder und jedes Einzelnen bewahrt und geschützt werden kann. Ihre bildungspolitische Arbeit geht somit über das Aufrechterhalten der Erinnerung an die Verbrechen des NS-Regimes weit hinaus. Mit Ihrem Einsatz als Zeitzeuge geben Sie den Jugendlichen Handlungskonzepte an die Hand, die sie im alltäglichen Einsatz für Menschenrechte und Demokratie einsetzen können.
Für Ihr überaus großes Engagement sowie als Würdigung Ihres gesamten Lebenswerkes hat Ihnen Herr Bundespräsident das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Ich fühle mich sehr geehrt, Ihnen diese hohe Auszeichnung aushändigen zu dürfen.