Laudatio auf Ernst Grube

25. September 2023

anlässlich der Aushändigung des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland am Freitag, dem 22. September 2023 an Herrn Ernst Grube,   München

Sehr geehrter Herr Grube,

Sie und Ihre Familie mussten leidvoll erfahren, was Entrechtung, Entmenschlichung und Verfolgung unter der NS-Diktatur bedeuteten. Nach 1945 mussten Sie mit ansehen, wie viele alte Nationalsozialisten beim Wiederaufbau erneut in Amt und Würden kamen. Sie dagegen gehörten aufgrund Ihrer politischen Überzeugungen wieder zu den Verfolgten und Marginalisierten. Doch trotz dieser bitteren Erfahrungen haben Sie nie klein beigegeben, nie stillgehalten. Stattdessen waren und sind Sie ein leuchtendes Beispiel für Zivilcourage und Engagement. Sie leben vor, was das „Nie wieder!“ als Herzstück unserer Erinnerungskultur bedeutet. Durch Ihre vorbildliche Lebensleistung haben Sie hohe und höchste Auszeichnungen verdient.

Als Kind einer jüdischen Mutter erlebten Sie schon früh Diskriminierung, Entrechtung, Deportation und Internierung im Konzentrationslager. Als Fünfjähriger wurden Sie Zeuge des Abrisses der Münchner Synagoge. Ihre verzweifelten Eltern brachten Sie und Ihre beiden Geschwister kurz vor dem Novemberpogrom 1938 ins jüdische Kinderheim in der Antonienstraße. Gemeinsam mit Ihrer Familie wurden Sie im Februar 1945 im Alter von 12 Jahren nach Theresienstadt deportiert.

Sie überlebten und kehrten nach München zurück. Hier mussten Sie erleben, wie viele alte Nationalsozialisten bei Wiederaufbau erneut in staatliche und gesellschaftliche Schlüsselpositionen gelangten. Das entsprach ganz und gar nicht dem, was Sie unter „Lehren aus dem Faschismus“ verstanden. Dagegen und gegen vieles andere, was Sie als ungerecht empfanden, sind Sie zeitlebens        aufgestanden, auch wenn das für     Sie persönlich erneut Ausgrenzung und Diskriminierung bedeutete. Politisches Engagement und insbesondere das Eintreten für eine gelebte Erinnerungskultur prägen Sie und Ihr Handeln bis heute.

Ihr Einsatz reicht von der Wahrnehmung des Amtes als Präsident der „Lagergemeinschaft Dachau e. V.“, dem Vorsitz im Kuratorium der Stiftung Bayerische Gedenkstätten über die Mitgliedschaft im lnitiativkreis für das NS- Dokumentationszentrum München, in dessen Politischem Beirat Sie seit 2005 tätig sind, bis hin zu jahrzehntelanger Arbeit als Zeitzeuge im bildungspolitischen Bereich. Egal ob bei zahllosen Gesprächen und Seminaren mit Schülerinnen und Schülern oder bei Lehrerfortbildungen – als Zeitzeuge vermitteln Sie aus eigener Erfahrung, was Diktatur und menschenverachtende Ideologie für den Einzelnen bedeuten. Gerade der Dialog mit den Jugendlichen liegt Ihnen am Herzen. Sie halten die jungen Menschen dazu an, allzeit aufmerksam gegenüber Angriffen auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu sein und sich ihnen aktiv entgegenzustellen. Sie machen so deutlich, dass die Demokratie nur durch die Handlungen jeder und jedes Einzelnen bewahrt und geschützt werden kann. Ihre bildungspolitische Arbeit geht somit über das Aufrechterhalten der Erinnerung an die Verbrechen des NS-Regimes weit hinaus. Mit Ihrem Einsatz als Zeitzeuge geben Sie den Jugendlichen Handlungskonzepte an die Hand, die sie im alltäglichen Einsatz für Menschenrechte und Demokratie einsetzen können.

Für Ihr überaus großes Engagement sowie als Würdigung Ihres gesamten Lebenswerkes hat Ihnen Herr Bundespräsident das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Ich fühle mich sehr geehrt, Ihnen diese hohe Auszeichnung aushändigen zu dürfen.

Verdienstorden für Ernst Grube

24. September 2023

Unserem Kameraden Ernst Grube wurde von Staatsminister Prof. Dr. Michael Piazolo, der vom Bundespräsidenten verliehene Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, überreicht.

Mitteilung auf der Seite des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus >>

Zur Causa Hubert Aiwanger

20. September 2023

Es ist uns eine Freude, an dieser Stelle die Überlegungen von Frau Dr. Barbara Distel vom 4. September 2023 veröffentlichen zu dürfen. Frau Dr. Barbara Distel war von 1975 bis 2008 Leiterin der KZ Gedenkstätte Dachau.

Zur Causa Hubert Aiwanger

Als am 4. Mai 2023 das fünfzigjährige Bestehen des Projektes „Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten“ gefeiert wurde, fand es in der deutschen Öffentlichkeit so gut wie kein Echo. Im Jahr 1973 hatten der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann und der Hamburger Stifter Kurt A. Körber diesen Wettbewerb ausgelobt. Schüler aller Schularten sollten sich im Rahmen des Geschichtsunterrichts auf historische Spurensuche in ihrem Umfeld begeben. Alle Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland übernahmen in den darauffolgenden Jahrzehnten die Schirmherrschaft für diesen Wettbewerb, zu dem bis heute 156 000 Arbeiten eingereicht wurden.

Nur wenige Monate später, am 25. August 2023, geriet dieser Schülerwettbewerb – wenn auch nur am Rande – im Zusammenhang mit den Berichten der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über ein rechtsradikales Flugblatt aus den 1980er Jahren im Besitz von Hubert Aiwanger, dem Vorsitzenden der FREIEN WÄHLER in Bayern und Stellvertretenden Ministerpräsidenten Bayerns in eine hitzige öffentliche Diskussion. In der Woche bis zum 3. September 2023 begann eine intensive Berichterstattung in allen Medien über die Reaktionen auf das Bekanntwerdendes Flugblattes. Einerseits wurde Hubert Aiwanger als Opfer einer, wie er es selbst bezeichnet, „Schmutzkampagne“, die seine Chancen in der bevorstehenden Landtagswahl mindern sollen, verteidigt. Andererseits wurde sein Rücktritt, bzw. die Entlassung aus seinem Amt durch den Bayerischen Ministerpräsident gefordert. Am Sonntag, dem 3. September erklärte Markus Söder auf einer Pressekonferenz, dass er vorerst von personellen Konsequenzen für Hubert Aiwanger absieht, betonte, dass es wichtig sei, „Reue und Demut zu zeigen“. Zum gleichen Zeitpunkt erklärte Hubert Aiwanger auf einer Wahlveranstaltung im Bierzelt, dass die „Schmutzkampagne“ gescheitert sei, der MÜNCHNER MERKUR zitiert ihn mit den Sätzen, „Für so einen Käse habe ich keine Zeit. Wir haben ein sauberes Gewissen.“ Kann man es dabei belassen?

Hier soll aus Sicht jahrzehntelanger Arbeit an der KZ-Gedenkstätte Dachau noch einmal auf den historischen Forschungswettbewerb des Bundespräsidenten eingegangen werden, in dessen Kontext das Flugblatt das Hubert Aiwanger zur Last gelegt wird, gesehen werden muss. Als sich im Laufe der 1980er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland ein grundlegender Wandel im Umgang mit den Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur vollzog, spielte der Forschungswettbewerb des Bundespräsidenten eine nicht unerhebliche Rolle. Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte mit seiner Rede zum 8. Mai 1985, die zum ersten Mal dieses Datum zum Tag der Befreiung erklärte und die zu einem Meilenstein in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wurde, das Thema in konservative Kreise getragen, die sich zuvor der Debatte vier Jahrzehnte verweigert hatten. Die Schüler, die sich aufmachten in diesem Jahrzehnt den „Alltag im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit“ in ihrem Umfeld zu erforschen, erlebten zunächst viel Zurückweisung vor allem bei einschlägigen Behörden und Institutionen, aber sie konnten auch erstaunliche bislang unbekannte Fakten zu Tage bringen, die einige der eingereichten und preisgekrönten Arbeiten zu Grundlagen weitergehender Forschungen und zu bedeutsamen kulturgeschichtlichen und gesellschaftspolitischen Projekten machten. Für die Geschichte des Konzentrationslagers Dachau und die Arbeit an der 1965 eröffneten Gedenkstätte waren es vor allem zwei Themenbereiche deren Aufarbeitung in den 1980er Jahre durch den Geschichtswettbewerb ihren Anfang nahmen:

  • Im Zeitraum 1982/1983 begann Edith Raim, Schülerin eines Landsberger Gymnasiums, zusammen mit anderen im Rahmen des Wettbewerbs mit der Erforschung der Geschichte der Dachauer Aussenlager im Bereich Landsberg Kaufering, in denen im letzten Kriegsjahr von 30 OOO zum überwiegenden Teil jüdischen Häftlingen schätzungsweise 45% zu Tode gekommen waren. Die spätere Historikerin Edith Raim verfasste ihre Dissertation zur Geschichte dieses Lagerkomplexes und blieb der Erforschung des lokalen Umfeldes verbunden. Die Auseinandersetzungen um den Erhalt und die Nutzung baulicher Überreste dieser Lager haben sich über die letzten Jahrzehnte zwischen Verantwortlichen im lokalen, staatlichen und gesamtstaatlichen Bereich hingezogen ohne dass es zu zufriedenstellenden Lösungen gekommen wäre. Doch die für die Geschichte des Konzentrationslagers Dachau so bedeutsame Schlussphase kann als aufgearbeitet gelten, sie ist Teil des Geschichtskanons der Region geworden und dies nicht zuletzt dank der Unterstützung der überlebenden Zeugen, die inzwischen fast alle verstorben sind.
  • Im Jahr 1985 brachte Ekkehard Knobloch, damals Oberbürgermeister der, im Süden Münchens gelegenen Ortschaft Gauting einen Antrag im Gemeinderat ein, ein Mahnmal für die Opfer des Todesmarsches der Dachauer Häftlinge zu errichten, der in den letzten Apriltagen des Jahres 1945 auch durch Gauting geführt hatte. Er lud alle Gemeinden im Süden Münchens, durch die der Todesmarsch geführt hatte, zu einem gemeinsamen Wettbewerb ein, an dem sich Künstler, die im Bereich der Wegstrecke wohnten, beteiligen konnten. Auch Ekkehard Knobloch hatte die Anregung für ein Mahnmal durch eine Schülerarbeit über die auf dem Gautinger Friedhof bestatteten jüdischen Opfer bekommen. Zunächst gab es Absagen und Ablehnung aber nachdem im Jahr 1989 die ersten identischen Mahnmale eingeweiht werden konnten, entwickelte sich das Projekt zu einem Katalysator für den Prozess derAuseinandersetzung mit der Geschichte des Verbrechens in dieser Region. 60 Künstler beteiligten sich an dem Wettbewerb, den der Bildhauer Hubertus von Pilgrim gewann, und dessen Denkmal schließlich an 22 Orten realisiert werden konnte. Auch hier spielten Überlebende des Marsches, die über zwei Jahrzehnte als Zeugen nach Bayern zurückkehrten um über ihre Erfahrungen zu berichteten eine bedeutsame Rolle. Als im Jahr 1992 eine Kopie des Denkmals in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem aufgestellt wurde, gründete sich eine Vereinigung von Überlebenden der Dachauer Aussenlager um Landsberg Kaufering, von denen viele Teilnehmer des Todesmarsches gewesen waren.

Am Ende des Zeitraumes 1980 bis 1995, in dem der Geschichtswettbewerb seine größte Resonanz gefunden hatte, standen auch Erfahrungen mit Ablehnung, Leugnung und rechtsextremen Diffamierungen, wie das Aiwanger Flugblatt, das im Archiv der Gedenkstätte Dachau als Anlage einer Schülerarbeit aus dem Jahr 1988/89 zu finden ist. Trotzdem waren diese Jahre Ausgangspunkt für Jahrzehnte, in denen Wissen gesammelt wurde und in denen sich die Hoffnung entwickelte, dass die Gesellschaft der Bundesrepublik und ihre Institutionen die gesellschaftspolitische Aufgabe der Aufklärung über die nationalsozialistischen Verbrechen und das Schicksal der Opfer auf Dauer unterstützen und befürworten werde.

Vergleicht man heute die Auseinandersetzung um das Flugblatt aus der Schultasche des Hubert Aiwanger und seine Einlassungen seit dem 25. August 2023 dazu mit den Auseinandersetzungen um den Umgang mit nationalsozialistischen Verbrechen in den 1980er Jahren, so scheint diese Hoffnung ihre Grundlage zu verlieren. Die rechtsextreme Partei „Alternative für Deutschland“ droht in Umfragen zur Partei mit den meisten Wählerstimmen zu werden. Sie leugnet die NS Verbrechen generell und verhöhnt die Opfer. Und seit gestern erklärt die Bayerische Regierung die Causa Aiwanger als „vorläufig erledigt“ und hofft damit, ihre Wählerschaft am rechten Rand des politischen Spektrums bei den bevorstehenden Wahlen von der AfD fern zu halten. Die Beschädigung der politischen Glaubwürdigkeit beschränkt sich allerdings nicht auf Bayern, denn auch aus der Schwesterpartei CDU kam kein Aufschrei der Empörung.

Dr. Barbara Distel

Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau von 1975 bis 2008

38. ordentliche Landesdelegiertenkonferenz der bayerischen VVN BdA

19. Juli 2023

Ernst Grube ist nun unser Ehrenpräsident. Herzlichen Glückwunsch Ernst.

50 Delegierte diskutieren und wählen am 15. und 16 Juli im Jüdischen Museum Franken in Fürth. Es gab eine tolle Führung durch das Museum und einen gemeinsamen Stadtspaziergang zum Denkmal für die im KZ Dachau ermordeten Antifaschisten Dr. Rudolf Benario und Ernst Goldmann.

Ein fantastisches Wochenende mit vielen schönen Momenten.

Anwesende Gäste mit Grußwort: Ines Eichmüller – Verband der Ignorierten Opfer des NS-Regimes, Ilona Roché -Arbeitskreis der Sinti & Roma Ingolstadt, Roberto Paskowski, Verband der Sinti & Roma Bayern, Cemal Bozoglu, MdL Bündnis 90/Die Grünen, Niklas Haupt, Stadtrat Die Linke/Fürth – schriftliches Grußwort Florian Ritter und Harald Güller beide MdL SPD

Referent Robert Andreasch, a.i.d.a Archiv München e.V. https://www.aida-archiv.de/

Gedenkorte in Bayern

5. Juli 2023

Neu in unserer Rubrik:

KZ-Friedhof / Gedenkstätte in Surtal, Gemeinde Surberg bei Traunstein

Broschüre: Eine Mordstruppe

1. Juni 2023

Wir bieten Euch hier die Broschüre „Eine Mordstruppe – Die Wahrheit über den völkisch-militaristischen Gebirgstruppen-Kameradenkreis“ zum Download an.

Die Broschüre ist als PDF ca. 50 MB groß und wird über die Seite der VVN-BdA KV Freising Moosburg eingebunden

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Ernst Grube zum 90. – Zeitzeuge des NS-Terrors und Streiter für Menschenrechte

31. Dezember 2022

Am 13. Dezember feiert Ernst Grube, langjähriges VVN-BdA Mitglied und früherer Landessprecher, seinen 90. Geburtstag. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen Bayern gratuliert herzlich

Weit über seine Heimatstadt München hinaus ist er bekannt; bis heute ist er in Schulklassen, Gesprächskreisen oder Vorträgen unermüdlich tätig, um Zeugnis abzulegen vom Terror des Nazistaates und um Folgerungen für heute anzumahnen.

Weil seine Mutter Jüdin war, begannen Ernst, sein Bruder Werner und die kleine Schwester Ruth bald die Ausgrenzung durch die Nazis zu spüren. Noch vor der Pogromnacht 1938 wurde die Familie aus ihrer Wohnung geworfen, die Kinder kamen bis 1942 in einem jüdischen Kinderheim unter, dessen Bewohner fast alle in Vernichtungslager deportiert wurden. Lange Zeit konnte Ernsts nichtjüdischer Vater das Schlimmste verhindern, aber noch im Februar 1945 wurden die drei Kinder zusammen mit der Mutter ins KZ Theresienstadt deportiert. Zum Glück funktionierten die Weitertransporte in Vernichtungslager nicht mehr, die Grubes überlebten die nächsten Monate und wurden im Mai 1945 von der Roten Armee befreit.  

Zurück in München holte Ernst die Schule nach, lernte bei seinem Vater das Malerhandwerk und fand bald Anschluss

bei Familien von Verfolgten vor allem im kommunistischen Milieu. Besonders beeindruckte ihn die Tatsache, dass es dort mutigen Widerstand gegen die Nazis und den Krieg gegeben hatte. Er organisierte sich in der Gewerkschaft, in der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und schließlich in der Kommunistischen Partei und war in den folgenden Jahren bei vielen sozialpolitischen Aktionen und Protesten gegen alte und neue Nazis und vor allem gegen die Wiederbewaffnung dabei. Dieses Engagement trug ihm sogar eine zweimalige Gefängnisstrafe in den 1950er Jahren ein – seine Verfolgung als Kind in der Nazizeit spielte bei den Urteilen kaum eine Rolle.

Ernst Grube engagierte sich weiter, auch während seiner Weiterbildung und seiner Tätigkeit als Malermeister und Fachlehrer in München; ein drohendes Berufsverbot als Lehrer konnte dann doch nicht an ihm als NS-Verfolgten vollzogen werden.

Mit dem wachsenden Interesse in der Öffentlichkeit an der NS-Zeit seit den 1980er Jahren rückte auch für Ernst Grube das Erzählen seiner eigenen Verfolgungsgeschichte immer mehr in den Mittelpunkt. Neben den Gesprächen vor allem mit jungen Menschen engagierte er sich auch in verschiedensten Gremien und Einrichtungen und ist bis heute ein gefragter Berater – von der Evangelischen  Versöhnungskirche bis hin zum Kuratorium der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, von der Jugendbegegnungsstätte Dachau bis zum Beirat des NS-Dokuzentrums München oder der Lagergemeinschaft Dachau, deren Präsident er ist. Nicht zu vergessen auch die VVN-BdA Bayern, deren Landessprecher er mehrere Jahre war. Ernst Grube war 80 Jahre alt, als ihn der Bayerische Verfassungsschutzbericht gar namentlich als „Linksextremist“ diffamierte; aufgrund großer Solidarität musste das geändert werden. 

Angesichts des breiten Wirkunsfeldes von Ernst Grube gibt es auch jetzt zu seinem 90. Geburtstag viele Würdigungen, einschließlich der Ehrenbürgerwürde in München. Von verschiedenster Seite wird nicht nur seine große Fähigkeit zum Berichten über das eigene Erleben hervorgehoben, sondern auch sein unbedingter Wille, sich für Menschenrechte, für den Schutz der heute bedrängten Minderheiten und Ausgegrenzten einzusetzen. So bleibt Ernst Grube ein – oft unbequemer – Mahner, der mit seiner Geschichte auch anspornen will für das Handeln in der Gegenwart.

Die Mitglieder der Münchner und der bayerischen VVN-BdA gratulieren Ernst Grube ganz herzlich, wünschen ihm und seiner Frau Helga alles Gute und freuen sich auf die weitere gemeinsame Arbeit.

Neben einer Veranstaltung ehrt das NS-Dokuzentrum Ernst Grube auch mit dem Buch „Aus der Erinnerung für die Gegenwart leben.“ In vielen Beiträgen und Fotos beschreibt es die Geschichte und Wirkung des Shoah-Überlebenden Ernst Grube. Das Buch ist im Wallstein-Verlag erschienen. 

(F.Mühldorfer, VVN-BdA Bayern)

Siehe auch: muenchen.de Rathausumschau

Wir gratulieren unserer Landessprecherin Luise Gutmann

1. Dezember 2022

Gleich zwei mal gab es diesen Herbst einen Grund zu feiern für die bayrische VVN-BdA. Nur alle 2-3 Jahre vergibt pax christi Regensburg den Preis: „Einspruch wagen – Preis für Zivilcourage“. Wir freuen uns gemeinsam mit unserer Landessprecherin Luise Gutmann darüber, dass sie diesen Preis Anfang Oktober 2022 für ihr jahrzehntelanges Engagement gegen Faschischismus und Rechtsradikalismus entgegennehmen dürfte.

Bereits am 5. November folgte eine weitere Auszeichnung. Die Stadt Regensburg überreicht Luise Gutmann als „Kämpferin gegen Faschismus und Förderin der Erinnerungskultur“ den Regensburger Stadtschlüssel. Die Medaille wird verliehen an Persönlichkeiten, die sich Verdienste um das Wohl der Stadt Regensburg und ihrer Bürgerschaft erworben haben. Wir finden keine besseren Worte als die Stadt Regensburg selbst: 

https://www.regensburg.de/rathaus/ehrenbuerger-und-medaillen/stadtschluessel/luise-gutmann

75 Jahre VVN – die bayerische Landesvereinigung lädt ihre Mitglieder nach Regensburg ein – wir sind Gäste der Jüdischen Gemeinde

30. November 2022

Unsere Versammlung fand am 17. Juli 2022 in Regensburg statt. Wir waren Gäste der überaus gastfreundlichen Jüdischen Gemeinde hier. Als wir gegen 10 Uhr ankommen, ist die Glasfront zum Innenhof bereits geöffnet, davor das Buffet mit Kaffee und Tee, den schönsten Kuchen und Törtchen und als besondere Glanzlichter Schalen mit Obst gefüllt wie für ein Stillleben. 

Ilse Danziger, die Vorsitzende begrüßt uns. Sie betont unser Zusammenwirken für das Gedenken seit den frühen 70er Jahren. Damals beschlossen wir, den 23. April zum antifaschistischen Gedenktag zu machen. Damit sind wir beim Thema des Tages angelangt: „Erinnerungs- und Gedenkarbeit“ im Wandel.

Am 23. April nämlich erinnern wir an die Frauendemonstration, die 1945 die kampflose Übergabe der Stadt forderte, und ehren die letzten Regensburger NS-Opfer. Weitere Forschung förderte weitere Verbrechen zu Tage, und aus der Kundgebung auf dem Dachauplatz wurde 1998 der Gedenkweg für alle Opfer des Faschismus. Jedes Mahnmal, an dem wir Blumen niederlegen, jeder Stolperstein hat eine eigene nicht selten konfliktreiche Geschichte.

Wir sind auf dem Weg nicht allein, und auch heute zu unserem Jubiläum werden uns Mitglieder der Stolpersteingruppe, der Roten Hilfe, der Falken begleiten, und der  Internationale  Kultur- und Solidaritätsverein wird am Dachauplatz sein Transparent entfalten: „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“.

Aber zuerst gehen wir noch hinauf in die neue Synagoge im ersten Stock, eingeweiht im Februar 2019 genau 500 Jahre, nachdem das Jüdische Viertel in der heutigen Stadtmitte geschleift, die Synagoge und der jüdische Friedhof zerstört und alle Regensburger Juden mit ihren Familien im Februar 1519 vom Rat der Stadt vertrieben wurden. Die heutige Synagoge steht aber nicht an dem Ort der mittelalterlichen Synagoge, denn dort wurde nach der Vertreibung der Juden 1519 sofort eine Marienwallfahrt installiert, und wenige Jahre später die protestantische Neupfarrkirche platziert.

Erst 1912 konnte eine neue Jüdische Gemeinde wieder eine Synagoge errichten. Die Nazis zerstörten sie in der Pogromnacht. Der Synagogenbrandplatz wurde drei ein halb Jahre später zum Sammelplatz der ersten Deportation am 4. April 1942. Das ist der Ort, an dem wir uns jetzt befinden, und ich kann unseren Kameradinnen und Kameraden an Ort und Stelle sagen und zeigen, was hier passiert ist.

Ursprünglich war für den Vormittag ein Gespräch mit unserem Kameraden Ernst Grube vorgesehen, Holocaust-Überlebender, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Beirat im NS-Dokumentationszentrum München. Aus Covid-19-Gründen kann das Zeitzeugen-Gespräch leider nicht stattfinden.

Der Nachmittag ist für ein Podiumsgespräch reserviert. Wir diskutieren mit Cornelia Siebeck, die Historikerin forscht und publiziert seit vielen Jahren zu gedächtnispolitischen und gedächtniskulturellen Fragen; mit Maxi Schneider, ebenfalls Historikerin und Referentin für Geschichts- und Erinnerungspolitik der VVN-BdA-Bundesvereinigung; mit Thomas Willms, Politikwissenschaftler und Autor des Buches „Auschwitz als Steinbruch – Was von den NS-Verbrechen bleibt“, Bundesgeschäftsführer der VVN-BdA. Den weiten Weg von Berlin und Hamburg hatten sie auf sich genommen und boten uns die Gelegenheit, einen Blick über unsere bayerischen Grenzen hinaus zu riskieren. Dafür bedanken wir uns herzlich.

Zur Geschichte des christlichen Widerstands der Regensburger Zeugen Jehovas haben Sandra Breedlove und Hans Simon-Pelanda geforscht und in den Verhandlungen des Historischen Vereins 2018 veröffentlicht. Die Stele zur Würdigung der Häftlinge mit dem Lila Winkel ist seit ihrer Enthüllung 2022 auf dem Georgenplatz Teil des Gedenkwegs.

„Widerstand gegen das NS-Regime aus religiöser Überzeugung. Jehovas Zeugen in Regensburg 1933-1945“ von S. Breedlove/H. Simon-Pelanda, Band 158 der Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, 12/2018, B. Luebbers (Hg.):

https://www.heimatforschung-regensburg.de/2859/12/12%20Breedlove%20213-330.pdf

In Gedenken an Klaus-Peter Beer – Neonazistische Gewalt und antifaschistisches Erinnern in Amberg 

5. September 2022

Das Bündnis gegen das Vergessen präsentiert die Broschüre »In Gedenken an Klaus-Peter Beer – Neonazistische Gewalt und antifaschistisches Erinnern in Amberg«.

Am 07. September 1995 wurde Klaus-Peter Beer in Amberg von zwei Neonazis ermordet. Die grausame Tat war in Amberg lange kein Thema.

Sie wurde verschwiegen und verdrängt. Das Gedenken an Klaus-Peter Beer durch antifaschistische Initiativen wurde über Jahre hinweg von offizieller Seite ignoriert.

Erst in letzter Zeit hat sich dies dank der anhaltenden antifaschistischen Proteste langsam geändert. Inzwischen ist Klaus-Peter Beer endlich offiziell als Opfer rechter Gewalt anerkannt.

Die Broschüre »In Gedenken an Klaus-Peter Beer – Neonazistische Gewalt und antifaschistisches Erinnern in Amberg« dokumentiert den jahrelangen Kampf gegen das Vergessen und begibt sich auf die Spuren des Lebens von Klaus-Peter Beer. Daneben gibt die Broschüre einen Einblick in die rechten Strukturen und die Kontinuitäten neonazistischer Gewalt in Amberg von den Achtzigerjahren bis heute.

Sie greift zudem das Tatmotiv Homophobie auf und skizziert das diesbezügliche gesellschaftliche Klima zum Zeitpunkt der Tat.

Die Broschüre richtet den Blick jedoch auch nach vorne und enthält Forderungen für ein würdiges Gedenken an Klaus-Peter Beer und den Kampf gegen Rechts.

In Papierform kann die Broschüre kostenfrei über eine Mail an bgdv@mailbox.org bestellt werden.

Instagram und Facebook: @buendnisgegendasvergessen  

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