38. ordentliche Landesdelegiertenkonferenz der bayerischen VVN BdA

19. Juli 2023

Ernst Grube ist nun unser Ehrenpräsident. Herzlichen Glückwunsch Ernst.

50 Delegierte diskutieren und wählen am 15. und 16 Juli im Jüdischen Museum Franken in Fürth. Es gab eine tolle Führung durch das Museum und einen gemeinsamen Stadtspaziergang zum Denkmal für die im KZ Dachau ermordeten Antifaschisten Dr. Rudolf Benario und Ernst Goldmann.

Ein fantastisches Wochenende mit vielen schönen Momenten.

Anwesende Gäste mit Grußwort: Ines Eichmüller – Verband der Ignorierten Opfer des NS-Regimes, Ilona Roché -Arbeitskreis der Sinti & Roma Ingolstadt, Roberto Paskowski, Verband der Sinti & Roma Bayern, Cemal Bozoglu, MdL Bündnis 90/Die Grünen, Niklas Haupt, Stadtrat Die Linke/Fürth – schriftliches Grußwort Florian Ritter und Harald Güller beide MdL SPD

Referent Robert Andreasch, a.i.d.a Archiv München e.V. https://www.aida-archiv.de/

Gedenkorte in Bayern

5. Juli 2023

Neu in unserer Rubrik:

KZ-Friedhof / Gedenkstätte in Surtal, Gemeinde Surberg bei Traunstein

Broschüre: Eine Mordstruppe

1. Juni 2023

Wir bieten Euch hier die Broschüre „Eine Mordstruppe – Die Wahrheit über den völkisch-militaristischen Gebirgstruppen-Kameradenkreis“ zum Download an.

Die Broschüre ist als PDF ca. 50 MB groß und wird über die Seite der VVN-BdA KV Freising Moosburg eingebunden

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Ernst Grube zum 90. – Zeitzeuge des NS-Terrors und Streiter für Menschenrechte

31. Dezember 2022

Am 13. Dezember feiert Ernst Grube, langjähriges VVN-BdA Mitglied und früherer Landessprecher, seinen 90. Geburtstag. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen Bayern gratuliert herzlich

Weit über seine Heimatstadt München hinaus ist er bekannt; bis heute ist er in Schulklassen, Gesprächskreisen oder Vorträgen unermüdlich tätig, um Zeugnis abzulegen vom Terror des Nazistaates und um Folgerungen für heute anzumahnen.

Weil seine Mutter Jüdin war, begannen Ernst, sein Bruder Werner und die kleine Schwester Ruth bald die Ausgrenzung durch die Nazis zu spüren. Noch vor der Pogromnacht 1938 wurde die Familie aus ihrer Wohnung geworfen, die Kinder kamen bis 1942 in einem jüdischen Kinderheim unter, dessen Bewohner fast alle in Vernichtungslager deportiert wurden. Lange Zeit konnte Ernsts nichtjüdischer Vater das Schlimmste verhindern, aber noch im Februar 1945 wurden die drei Kinder zusammen mit der Mutter ins KZ Theresienstadt deportiert. Zum Glück funktionierten die Weitertransporte in Vernichtungslager nicht mehr, die Grubes überlebten die nächsten Monate und wurden im Mai 1945 von der Roten Armee befreit.  

Zurück in München holte Ernst die Schule nach, lernte bei seinem Vater das Malerhandwerk und fand bald Anschluss

bei Familien von Verfolgten vor allem im kommunistischen Milieu. Besonders beeindruckte ihn die Tatsache, dass es dort mutigen Widerstand gegen die Nazis und den Krieg gegeben hatte. Er organisierte sich in der Gewerkschaft, in der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und schließlich in der Kommunistischen Partei und war in den folgenden Jahren bei vielen sozialpolitischen Aktionen und Protesten gegen alte und neue Nazis und vor allem gegen die Wiederbewaffnung dabei. Dieses Engagement trug ihm sogar eine zweimalige Gefängnisstrafe in den 1950er Jahren ein – seine Verfolgung als Kind in der Nazizeit spielte bei den Urteilen kaum eine Rolle.

Ernst Grube engagierte sich weiter, auch während seiner Weiterbildung und seiner Tätigkeit als Malermeister und Fachlehrer in München; ein drohendes Berufsverbot als Lehrer konnte dann doch nicht an ihm als NS-Verfolgten vollzogen werden.

Mit dem wachsenden Interesse in der Öffentlichkeit an der NS-Zeit seit den 1980er Jahren rückte auch für Ernst Grube das Erzählen seiner eigenen Verfolgungsgeschichte immer mehr in den Mittelpunkt. Neben den Gesprächen vor allem mit jungen Menschen engagierte er sich auch in verschiedensten Gremien und Einrichtungen und ist bis heute ein gefragter Berater – von der Evangelischen  Versöhnungskirche bis hin zum Kuratorium der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, von der Jugendbegegnungsstätte Dachau bis zum Beirat des NS-Dokuzentrums München oder der Lagergemeinschaft Dachau, deren Präsident er ist. Nicht zu vergessen auch die VVN-BdA Bayern, deren Landessprecher er mehrere Jahre war. Ernst Grube war 80 Jahre alt, als ihn der Bayerische Verfassungsschutzbericht gar namentlich als „Linksextremist“ diffamierte; aufgrund großer Solidarität musste das geändert werden. 

Angesichts des breiten Wirkunsfeldes von Ernst Grube gibt es auch jetzt zu seinem 90. Geburtstag viele Würdigungen, einschließlich der Ehrenbürgerwürde in München. Von verschiedenster Seite wird nicht nur seine große Fähigkeit zum Berichten über das eigene Erleben hervorgehoben, sondern auch sein unbedingter Wille, sich für Menschenrechte, für den Schutz der heute bedrängten Minderheiten und Ausgegrenzten einzusetzen. So bleibt Ernst Grube ein – oft unbequemer – Mahner, der mit seiner Geschichte auch anspornen will für das Handeln in der Gegenwart.

Die Mitglieder der Münchner und der bayerischen VVN-BdA gratulieren Ernst Grube ganz herzlich, wünschen ihm und seiner Frau Helga alles Gute und freuen sich auf die weitere gemeinsame Arbeit.

Neben einer Veranstaltung ehrt das NS-Dokuzentrum Ernst Grube auch mit dem Buch „Aus der Erinnerung für die Gegenwart leben.“ In vielen Beiträgen und Fotos beschreibt es die Geschichte und Wirkung des Shoah-Überlebenden Ernst Grube. Das Buch ist im Wallstein-Verlag erschienen. 

(F.Mühldorfer, VVN-BdA Bayern)

Siehe auch: muenchen.de Rathausumschau

Wir gratulieren unserer Landessprecherin Luise Gutmann

1. Dezember 2022

Gleich zwei mal gab es diesen Herbst einen Grund zu feiern für die bayrische VVN-BdA. Nur alle 2-3 Jahre vergibt pax christi Regensburg den Preis: „Einspruch wagen – Preis für Zivilcourage“. Wir freuen uns gemeinsam mit unserer Landessprecherin Luise Gutmann darüber, dass sie diesen Preis Anfang Oktober 2022 für ihr jahrzehntelanges Engagement gegen Faschischismus und Rechtsradikalismus entgegennehmen dürfte.

Bereits am 5. November folgte eine weitere Auszeichnung. Die Stadt Regensburg überreicht Luise Gutmann als „Kämpferin gegen Faschismus und Förderin der Erinnerungskultur“ den Regensburger Stadtschlüssel. Die Medaille wird verliehen an Persönlichkeiten, die sich Verdienste um das Wohl der Stadt Regensburg und ihrer Bürgerschaft erworben haben. Wir finden keine besseren Worte als die Stadt Regensburg selbst: 

https://www.regensburg.de/rathaus/ehrenbuerger-und-medaillen/stadtschluessel/luise-gutmann

75 Jahre VVN – die bayerische Landesvereinigung lädt ihre Mitglieder nach Regensburg ein – wir sind Gäste der Jüdischen Gemeinde

30. November 2022

Unsere Versammlung fand am 17. Juli 2022 in Regensburg statt. Wir waren Gäste der überaus gastfreundlichen Jüdischen Gemeinde hier. Als wir gegen 10 Uhr ankommen, ist die Glasfront zum Innenhof bereits geöffnet, davor das Buffet mit Kaffee und Tee, den schönsten Kuchen und Törtchen und als besondere Glanzlichter Schalen mit Obst gefüllt wie für ein Stillleben. 

Ilse Danziger, die Vorsitzende begrüßt uns. Sie betont unser Zusammenwirken für das Gedenken seit den frühen 70er Jahren. Damals beschlossen wir, den 23. April zum antifaschistischen Gedenktag zu machen. Damit sind wir beim Thema des Tages angelangt: „Erinnerungs- und Gedenkarbeit“ im Wandel.

Am 23. April nämlich erinnern wir an die Frauendemonstration, die 1945 die kampflose Übergabe der Stadt forderte, und ehren die letzten Regensburger NS-Opfer. Weitere Forschung förderte weitere Verbrechen zu Tage, und aus der Kundgebung auf dem Dachauplatz wurde 1998 der Gedenkweg für alle Opfer des Faschismus. Jedes Mahnmal, an dem wir Blumen niederlegen, jeder Stolperstein hat eine eigene nicht selten konfliktreiche Geschichte.

Wir sind auf dem Weg nicht allein, und auch heute zu unserem Jubiläum werden uns Mitglieder der Stolpersteingruppe, der Roten Hilfe, der Falken begleiten, und der  Internationale  Kultur- und Solidaritätsverein wird am Dachauplatz sein Transparent entfalten: „Schulter an Schulter gegen den Faschismus“.

Aber zuerst gehen wir noch hinauf in die neue Synagoge im ersten Stock, eingeweiht im Februar 2019 genau 500 Jahre, nachdem das Jüdische Viertel in der heutigen Stadtmitte geschleift, die Synagoge und der jüdische Friedhof zerstört und alle Regensburger Juden mit ihren Familien im Februar 1519 vom Rat der Stadt vertrieben wurden. Die heutige Synagoge steht aber nicht an dem Ort der mittelalterlichen Synagoge, denn dort wurde nach der Vertreibung der Juden 1519 sofort eine Marienwallfahrt installiert, und wenige Jahre später die protestantische Neupfarrkirche platziert.

Erst 1912 konnte eine neue Jüdische Gemeinde wieder eine Synagoge errichten. Die Nazis zerstörten sie in der Pogromnacht. Der Synagogenbrandplatz wurde drei ein halb Jahre später zum Sammelplatz der ersten Deportation am 4. April 1942. Das ist der Ort, an dem wir uns jetzt befinden, und ich kann unseren Kameradinnen und Kameraden an Ort und Stelle sagen und zeigen, was hier passiert ist.

Ursprünglich war für den Vormittag ein Gespräch mit unserem Kameraden Ernst Grube vorgesehen, Holocaust-Überlebender, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Beirat im NS-Dokumentationszentrum München. Aus Covid-19-Gründen kann das Zeitzeugen-Gespräch leider nicht stattfinden.

Der Nachmittag ist für ein Podiumsgespräch reserviert. Wir diskutieren mit Cornelia Siebeck, die Historikerin forscht und publiziert seit vielen Jahren zu gedächtnispolitischen und gedächtniskulturellen Fragen; mit Maxi Schneider, ebenfalls Historikerin und Referentin für Geschichts- und Erinnerungspolitik der VVN-BdA-Bundesvereinigung; mit Thomas Willms, Politikwissenschaftler und Autor des Buches „Auschwitz als Steinbruch – Was von den NS-Verbrechen bleibt“, Bundesgeschäftsführer der VVN-BdA. Den weiten Weg von Berlin und Hamburg hatten sie auf sich genommen und boten uns die Gelegenheit, einen Blick über unsere bayerischen Grenzen hinaus zu riskieren. Dafür bedanken wir uns herzlich.

Zur Geschichte des christlichen Widerstands der Regensburger Zeugen Jehovas haben Sandra Breedlove und Hans Simon-Pelanda geforscht und in den Verhandlungen des Historischen Vereins 2018 veröffentlicht. Die Stele zur Würdigung der Häftlinge mit dem Lila Winkel ist seit ihrer Enthüllung 2022 auf dem Georgenplatz Teil des Gedenkwegs.

„Widerstand gegen das NS-Regime aus religiöser Überzeugung. Jehovas Zeugen in Regensburg 1933-1945“ von S. Breedlove/H. Simon-Pelanda, Band 158 der Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, 12/2018, B. Luebbers (Hg.):

https://www.heimatforschung-regensburg.de/2859/12/12%20Breedlove%20213-330.pdf

In Gedenken an Klaus-Peter Beer – Neonazistische Gewalt und antifaschistisches Erinnern in Amberg 

5. September 2022

Das Bündnis gegen das Vergessen präsentiert die Broschüre »In Gedenken an Klaus-Peter Beer – Neonazistische Gewalt und antifaschistisches Erinnern in Amberg«.

Am 07. September 1995 wurde Klaus-Peter Beer in Amberg von zwei Neonazis ermordet. Die grausame Tat war in Amberg lange kein Thema.

Sie wurde verschwiegen und verdrängt. Das Gedenken an Klaus-Peter Beer durch antifaschistische Initiativen wurde über Jahre hinweg von offizieller Seite ignoriert.

Erst in letzter Zeit hat sich dies dank der anhaltenden antifaschistischen Proteste langsam geändert. Inzwischen ist Klaus-Peter Beer endlich offiziell als Opfer rechter Gewalt anerkannt.

Die Broschüre »In Gedenken an Klaus-Peter Beer – Neonazistische Gewalt und antifaschistisches Erinnern in Amberg« dokumentiert den jahrelangen Kampf gegen das Vergessen und begibt sich auf die Spuren des Lebens von Klaus-Peter Beer. Daneben gibt die Broschüre einen Einblick in die rechten Strukturen und die Kontinuitäten neonazistischer Gewalt in Amberg von den Achtzigerjahren bis heute.

Sie greift zudem das Tatmotiv Homophobie auf und skizziert das diesbezügliche gesellschaftliche Klima zum Zeitpunkt der Tat.

Die Broschüre richtet den Blick jedoch auch nach vorne und enthält Forderungen für ein würdiges Gedenken an Klaus-Peter Beer und den Kampf gegen Rechts.

In Papierform kann die Broschüre kostenfrei über eine Mail an bgdv@mailbox.org bestellt werden.

Instagram und Facebook: @buendnisgegendasvergessen  

„Ich habe bis zuletzt gekämpft …“

19. August 2022

Zum 70. Todestag von Philipp Auerbach, Streiter für die Verfolgten des Naziregimes in Bayern

Die Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft war für den Präsidenten des Landesentschädigungsamtes Bayern zu viel. Am 16. August 1952 nahm sich Philipp Auerbach in einer Münchner Klinik im Alter von 46 Jahren das Leben. In seinem Abschiedsbrief schrieb er:

„Nicht aus Feigheit, nicht aus einem Schuldbekenntnis heraus handle ich, sondern weil ein Glaube an das Recht für mich nicht mehr besteht und ich meinen Freunden und meiner Familie nicht weiter zur Last fallen will. Ich bin unschuldig verurteilt […] Ich habe mich niemals persönlich bereichert und kann dieses entehrende Urteil nicht weiter ertragen. Ich habe bis zuletzt gekämpft, es war umsonst. […]“

Was war geschehen? Nach monatelanger Ermittlung wurde Philipp Auerbach im März 1951 u.a. wegen Verdacht auf Amtsmissbrauch, Veruntreuung von Entschädigungsgeldern und Dokumentenfälschung verhaftet und angeklagt. Im Prozess konnte der zentrale Vorwurf, Entschädigungsgelder veruntreut zu haben, nicht aufrechterhalten werden, aber Auerbach wurde wegen missbräuchlicher Führung des Doktortitels, falscher eidesstattlicher Erklärung und einiger Bestechungsfälle verurteilt. Damit sah der Naziverfolgte Auerbach, Gründungsmitglied der bayerischen VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) und erster Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, sich und sein Lebenswerk, den Naziopfern Gerechtigkeit zukommen zu lassen, zerstört.

Philipp Auerbach wurde am 8.12.1906 in einem Hamburger jüdischen Familie geboren und absolvierte eine kaufmännische Lehre im väterlichen chemischen Unternehmen. Als engagiertes Mitglied der jüdischen Gemeinde und der Deutschen Demokratischen Partei musste er nach der Machtübernahme der Nazis mit seiner Familie nach Belgien emigrieren. Nach dem Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit durch Nazideutschland wurde er 1940 aus Belgien nach Frankreich abgeschoben; Frau und Tochter konnten noch in die USA emigrieren.

Auerbach wurde jedoch von der Gestapo verhaftet und bis zum Kriegsende in die Konzentrationslager Buchenwald und Auschwitz verschleppt. Nach der Befreiung trat er in die SPD ein und war zunächst kurze Zeit beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf tätig. Im Oktober 1946 übersiedelte Auerbach nach München und wurde vom Ministerpräsidenten Hoegner mit der Stelle des neu geschaffenen

bayerischen „Staatskommissars für die Opfer des Faschismus“ betraut.

Philipp Auerbach auf der Landeskonferenz der VVN in München 1947 (SZ-Photo)

Zusammen mit seinem Stellvertreter und Verantwortlichem für die politisch Verfolgten, dem Kommunisten Otto Aster, war Auerbach nun unermüdlich tätig, um das große Leid der vielen überlebenden Naziopfer durch Vorschusszahlungen, Vermittlung von Wohnungen, Möbeln oder Kuraufenthalten zu lindern. Er kümmerte sich um die Pflege von KZ-Friedhöfen und die Errichtung von Gedenksteinen, formulierte mit an Entschädigungsgesetzen, deckte neuen Antisemitismus und Nazitäter auf und kritisierte scharf die unzureichende „Entnazifizierung“ und die allgemeine Missachtung der Nazigegner. Und „daneben“ war er Mitbegründer der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ in Bayern und München, baute die Israelitische Kultusgemeinden in Bayern wieder mit auf, dessen erster Präsident er wurde. Dazu kamen Reden und Vorträge und Gespräche mit allen politischen Verantwortlichen.

Diese Tatkräftigkeit war gepaart mit großer Eigenmächtigkeit, Unerbittlichkeit und – so das Urteil mancher Zeitgenossen – auch Geltungsdrang. Es war nicht leicht für Auerbach, einerseits schnell und unbürokratisch die Interessen der Naziverfolgten zu vertreten, andererseits Chef einer staatlichen Behörde zu sein, die der Bürokratie und eher restriktiven politischen und gesellschaftlichen Ansprüchen gehorchen sollte. Denn Politik und Gesellschaft zeigten schon bald kaum mehr Interesse am Elend der überlebenden NS-Verfolgten.

So wurde Auerbach zu einer prägenden, aber auch besonders umstrittenen Person im Gesamtkomplex von „Wiedergutmachung“ und Entnazifizierung im hochbrisanten gesellschaftlichen Klima der Nachkriegsjahre, das vom „Vergessen-Wollen“ und auch vom Antisemitismus bestimmt war. Ansprüche der Verfolgten auf Anerkennung und politische Mitwirkung und deren massive Kritik an der Eingliederung alter Nazis störten da nur. Kursierende Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten im Landesentschädigungsamt, dessen Präsident Auerbach nach Auflösung des Staatskommissariats war, wurde natürlich von Gegnern begierig aufgegriffen und oftmals mit dem „Juden“ Auerbach in Verbindung gebracht.

Hinzu kamen harte Auseinandersetzungen innerhalb der führenden Partei in Bayern, der CSU, deren Flügelkämpfe auch auf Kosten von Auerbach ausgetragen wurden. Aber auch die Verfolgten selbst standen nicht immer eindeutig zu Auerbach. Das galt sowohl für Organisationen verfolgter Juden wie auch für die VVN, die seit Auerbachs Austritt aus der VVN Ende 1949 die Unterstützung für ihn versagte.

Zu erwähnen ist auch die NS-Vergangenheit der Mehrzahl der fünf Richter des Landgerichts München I, darunter der Vorsitzende Josef Mulzer. Auch wenn das Gericht keine persönliche Bereicherung Auerbachs feststellte, so wirkte das Urteil letztlich doch für weite Teile der Gesellschaft als Bestätigung ihrer Ablehnung umfassender Entschädigung für Naziverfolgte und gab altem und neuem Antisemitismus Auftrieb. In die gleiche Richtung wirkten schon vorher die Diffamierungen und Anschuldigungen gegen jüdische und teilweise kommunistische NS-Verfolgte wie Marcel Frenkel in Nordrhein-Westfalen, Alphonse Kahn in Rheinland-Pfalz oder Curt Epstein in Hessen, die als Beauftragte für Wiedergutmachung tätig waren und schließlich abberufen wurden.

Ein Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags, der nach dem Tod Auerbachs gebildet wurde und bald zum Rücktritt des damaligen Justizministers führte, rehabilitierte Auerbach vollständig, änderte aber nichts am allgemeinen Beschweigen der Nazivergangenheit und weitgehender Ausgrenzung der Überlebenden jener 1950er Jahre.

Um die Erinnerung auch in München zu fördern, hat die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen die Benennung einer Straße nach ihrem ehemaligen Gründungsmitglied Philipp Auerbach beantragt.

(Friedbert Mühldorfer, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen / Kreis München, 8-2022)

Recherche und Engagement gegen die rechte Gefahr als Lebenswerk – „AIDA“-Gründer Marcus Buschmüller verstorben

6. Juni 2022

„Frag‘ doch einfach bei AIDA nach!“ Das ist meist die Antwort, wenn jemand etwas wissen will über eine neu aufgetretene rechte Gruppierung in München oder Bayern und darüber hinaus. Dieses „Antifaschistische Informations- und Dokumentationsarchiv“ ist in der Tat zu einer der wesentlichen Recherchestellen geworden, wenn es um Organisationen und Namen der extrem rechten Szene und deren Netzwerke im Hintergrund geht.

Ihr Gründer, Vorsitzender, organisatorischer und geistiger Hintergrund, Marcus Buschmüller, ist nun am 19. Mai 2022 im Alter von nur 58 Jahren nach schwerer Krankheit in München verstorben.

Anstoß für sein jahrzehntelanges Engagement war das Neonazi-Attentat auf das Münchner Oktoberfest, das er 1980 als 17jähriger fast hautnah miterlebte. Er machte mit in der Antifa-Szene, war bei großen Protesten gegen die Startbahn West oder die geplante atomare Wackersdorfer Anlage dabei und gründete mit seinem Journalistenkollegen Robert Andreasch 1989 die Dokumentationsstelle AIDA. Ziel war es, genauer hineinzuleuchten in die braunen Umtriebe, die gerade auch in Bayern nur allzu oft unter den Teppich gekehrt wurden, Erkenntnisse systematisch zu sammeln und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dazu wurden Veröffentlichungen ausgewertet, rechte Treffen beobachtet, nach Verbindungen der Szene geforscht und Vorträge darüber gehalten – alles ehrenamtlich. Mitstreiter*innen und Förder*innen kamen hinzu und verbreiterten das Aktionsfeld.

Gerade die 1990er Jahre mit dem starken Anstieg rassistischer Aktivitäten zeigten schon damals die Notwendigkeit dieser Arbeit, fanden aber noch nicht überall breites Gehör. Dazu trug auch bei, dass die Akteure von AIDA aus dem linken Spektrum kamen, was den Bayerischen Verfassungsschutz veranlasste, AIDA in Verfassungsschutzberichten unter die Rubrik „Linksextremismus“ einzuordnen und im Bericht für 2011 zu unterstellen, dass deren Arbeit nur vorgebe, „politische Bildungsarbeit zu leisten“. AIDA erhielt große Solidarität angesichts dieser Diffamierung, ging gerichtlich dagegen vor und konnte die Streichung aus den Verfassungsschutzberichten erreichen.

Für Marcus Buschmüller war das auch eine große persönliche Genugtuung, weil nun endlich sein unermüdliches antifaschistisches Wirken auf breitere Resonanz stieß, zu Auszeichnungen und zum Aufbau eines von der Stadt München geförderten Netzwerks führte, das vom AIDA-Archiv, der „Fachstelle für Demokratie“, der Opferberatungsorganisation „BEFORE“ bis zur „Fachinformationsstelle Rechtsextremismus“ reicht, bei der Marcus Buschmüller in Teilzeit arbeitete.

Dass antifaschistisches Handeln auch in Bayern nicht mehr so leicht als bloß linksradikales Aktionsfeld beargwöhnt, sondern Ideologie und Handeln der rechten Szene endlich als wirkliche Bedrohung aufgefasst werden, dazu haben Marcus Buschmüller und das gesamte AIDA-Team wesentlich beigetragen.

Das hing auch mit der zurückhaltenden, leisen, aber in der Sache hartnäckigen Art von Marcus zusammen, die jedem Gegenüber die Ernsthaftigkeit seines Engagements gegen alle Formen von Menschenfeindlichkeit immer deutlich machte.

Es ist gut zu wissen, dass die Arbeit von Marcus Buschmüller so viele Spuren hinterlassen hat und weitergetragen wird – denn Antifaschismus ist Grundlage einer humanen Gesellschaft.

Im März 2019 fand im Feierwerk, in dem auch AIDA seinen Sitz hat, zum Abschluss einer Ausstellung über die italienische Resistenza eine Lesung und ein Konzert mit Esther Bejarano und der Microphone Mafia statt. Die über 90jährige Auschwitz-Überlebende Esther begeisterte besonders die Jüngeren mit ihrer Botschaft vom lebensnotwendigen Kampf gegen Rechts. Marcus Buschmüller stand wie immer etwas abseits, lächelte versonnen, aber dennoch war ihm deutlich anzumerken, wie glücklich ihn dieses breite, Generationen übergreifende Engagement für eine solidarische Welt ohne Ausgrenzung machte.

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen, München und Bayern (Friedbert Mühldorfer)

 Bayerische VVN-BdA begrüßt Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bay. Verfassungsschutzgesetz 

28. April 2022

Pressemitteilung

Die bayrische VVN BdA feiert den juristischen Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Die bayrische VVN BdA feiert den juristischen Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

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